Gebildete Kindheit

Handbuch der Bildungsarbeit im Elementarbereich

 

2.2 Zur Haltung der Fachkräfte

Erziehen im herkömmlichen Verständnis bedeutete, Kinder auf die "richtigen" Wege zu leiten, sie über Lob, Tadel und Bestrafung zu den Denk- und Verhaltensweisen zu bringen, die den eigenen Normen und Wertvorstellungen entsprachen. Auch Säuglinge wurden schon nach dieser Maxime erzogen: Man ließ sie beispielsweise schreien, ohne gleich auf sie einzugehen, mit der Begründung, dass das die Lungen kräftigen würde.

Das Beispiel der "intuitiven elterlichen Didaktik"

Gerade am Beispiel des Umgangs mit Säuglingen haben wir in den letzten Jahrzehnten gelernt, eine grundsätzlich andere Sichtweise einzunehmen.

Tatsächlich müssen menschliche Kinder fast alles lernen, was sie zu Menschen macht, vom Gehen über das Spielen bis zum Sprechen. So gesehen brauchen sie von Anfang an "Erziehung". Diese früheste "Frühförderung" sieht jedoch ganz anders aus, als man sie sich üblicherweise vorstellte, und es ist sicher kein Zufall, dass man sie erst vor wenigen Jahren überhaupt bemerkte. Man hat dieses Verhalten als "intuitive elterliche Didaktik" bezeichnet.

Es gehört zu den faszinierenden Ergebnissen der neueren Säuglingsforschung, dass Mütter, aber auch andere Betreuer wie Väter, Verwandte, Nachbarn und selbst ältere Geschwister, die ein gutes Verhältnis zum Kind haben, ihm, ohne sich dessen bewusst zu sein, optimale Lernchancen bieten. Nehmen wir den Spracherwerb als Beispiel: Alle Betreuer begleiten ihren Umgang mit dem Kind ständig mit sprachlichen Äußerungen. Sie bauen diese Äußerungen aber dialogisch auf, d.h. sie warten eine Reaktion des Kindes ab, ehe sie den nächsten Redebeitrag starten. Zunächst werten sie dabei jede zufällige Körperbewegung als Beitrag des Kindes. Sobald sich die kindliche Artikulation ausbildet, akzeptieren sie nur noch Lautäußerungen, wieder etwas später, wenn Kinder auf muttersprachliche Laute zu hören und sie nachzuahmen beginnen, beachten sie nur noch Äußerungen, die in den muttersprachlichen Lauten erfolgen. Tauchen die ersten "Einwortsätze" auf, hat das Kind dann wortähnliche Äußerungen von sich zu geben, ehe die Mutter darauf reagiert. Das ist nur eines der vielen Beispiele, wie Betreuer ohne jedes Nachdenken Kinder systematisch fördern.

Die effektivste Methode

Worauf beruht diese höchst effektive Form von "Unterricht", den Vorschulkinder vor ihrem Eintritt in den Kindergarten genossen haben? Die Grundlage dafür stellt die Beziehung zwischen Betreuendem und Kind her, und wo sie beeinträchtigt ist, werden auch die kindlichen Lernfortschritte beschnitten. Die enge und intensive Beziehung erlaubt den Betreuenden, ihr gesamtes Verhalten auf den jeweiligen Zustand des Kindes auszurichten. Das Kind erfährt also eine ganz individuell auf seine Lernfähigkeit zugeschnittene Förderung. Die Stimulierung erfolgt stets genau in dem Augenblick, in dem das Kind Anzeichen zeigt, das Lernangebot zu bewältigen, denn die Anforderungen gehen den kindlichen Fähigkeiten immer ein winziges Schrittchen voran. Die genaue Anpassung des Betreuerverhaltens an die kindlichen Fähigkeiten, erlaubt dem Kind eine aktive Rolle in der Interaktion zu spielen. Das Kind ist deshalb, so hilflos es einem Außenstehenden auch erscheinen mag, nie der passive Partner, dem die notwendigen Fähigkeiten erst noch beizubringen sind. Es ist von Anfang ein "kompetenter Säugling" und agiert als akzeptierter Teilnehmer an der gemeinsamen Begegnung, und dass diese Begegnung gelingt, und immer besser gelingt, das Kind also ständig mit Erfolgen belohnt wird, macht seine Motivation aus und stärkt seine Selbstwahrnehmung.

Was man daraus entnehmen kann

Was bringt der Vergleich des spontanen Elternverhaltens mit der Bildungsarbeit im Kindergarten? Sind sie überhaupt miteinander vergleichbar?

Aus der Sicht der Erzieherin haben sie wenig gemeinsam. Schließlich hat sie es mit "fremden" Kindern zu tun, die sie berufsmäßig gegen Bezahlung betreut. Auch ist sie nicht nur für ein einziges oder wenige Kinder, sondern ist für die ganze Gruppe verantwortlich. Sie wird also kaum in die enge Beziehung zu ihnen treten können, und auch nicht treten wollen, die dem elterlichen Verhalten zugrunde liegt. Und schließlich: Wurde nicht lange genug an die Mütterlichkeit der Kindergärtnerinnen appelliert und darüber die Notwendigkeit unterschätzt, die Arbeit überlegt und professionell zu gestalten?

Zwar brauchen Erzieherinnen wie übrigens auch alle anderen pädagogischen Berufe eine gewisse intuitive Sicherheit, im richtigen Moment ohne großes Nachdenken angemessen zu reagieren, aber sie wird durch die alltägliche Arbeit erworben, indem die eigenen Handlungen auch immer wieder reflektiert und in Frage gestellt werden. Mit "Mütterlichkeit" ist die Berufserziehung im Kindergarten nicht zu bewältigen. Die Erzieherin muss ihr spontanes Verhalten auch immer wieder hinterfragen, sie muss Aktivitäten mit den Kindern bewusst anlegen und planen.

Aus der Sicht des Kindes dagegen lohnt es sich, sich die elterliche Didaktik genauer anzusehen. Sie sagt uns etwas über die Vorgeschichte kindlichen Lernens aus. Sie zeigt, unter welchen Voraussetzungen Kinder optimale Lernfortschritte machten, bevor sie in den Kindergarten kamen. Und unter dieser Perspektive lassen sich dann durchaus Schlussfolgerungen für die Bildungsarbeit im Kindergarten ziehen.

Lernen in Beziehungen

Kinder lernen im Rahmen von Beziehungen, und das gilt auch noch für das Alter, in dem sie die Kindergärten besuchen. Diese Beziehungen beschränken sich aber nicht mehr auf die primären Betreuer und ihr Umfeld, sie haben sich längst erweitert: Die Kinder haben mit Personen außerhalb dieses Milieus ihre ersten Erfahrungen gemacht, mit Verwandten, mit Nachbarn, mit zufällig auftauchenden Fremden, mit den Fachkräften im Kindergarten, aber vor allem mit älteren und gleichaltrigen Kindern, wozu ihnen der Besuch des Kindergartens reichlich Gelegenheit bietet. Man könnte zusammenfassend sagen: Kinder erkunden und erproben in diesen Jahren systematisch ihre Beziehungsfähigkeit.

Die Zuwendung zu und die Neugier gegenüber der Umwelt steht dabei in einem engen Verhältnis zu den zwischenmenschlichen Beziehungen. Schon im Säuglingsalter erfolgt die Hinwendung zur äußeren materiellen Umgebung innerhalb der Mutter-Kind-Interaktion, indem die Mutter die kindliche Aufmerksamkeit auf die Welt außerhalb der "Dyade" lenkt. Wo die Mutter-Kind-Beziehung beeinträchtigt ist, wird auch die Neugier und der Forscherdrang des Kindes leiden.

Die erwachsenen Bezugspersonen werden später ergänzt durch die Gleichaltrigen: Kindergartenkinder erkunden ihre Umwelt und experimentieren mit Material so gut wie immer zusammen mit Freunden. Selbst gespielt wird nur selten allein. In all diesen Situationen werden immer soziale Verhaltensweisen erprobt, übernommen oder verworfen. Erst allmählich lernen Kinder auch von den gegebenen sozialen Situationen und den sie begleitenden Gefühlen abzusehen und Dinge auch "um ihrer selbst willen" zu tun.

Frühkindliche Bildung beruht auf Beziehungen

Frühkindliche Bildung vermittelt nicht Kompetenzen, sondern beruht auf Beziehungen:

Zum einen geht sie von sachlichen Beziehungen aus, die ein Kind zu seiner Umwelt herstellt. Ein solches Eingehen von Beziehungen weist in vielfacher Hinsicht über ein Lern- und Aneignungsmodell kindlichen Denkens hinaus. Beziehungen sind umfassender als es einzelne, funktional betrachtete Lernfelder zulassen. Beziehungen kann man nur zu Dingen oder Gedanken herstellen, die subjektiv etwas bedeuten. In den Beziehungen sind also die bedeutungsgebenden Emotionen einbezogen. (...)

Zum andern stützt sich frühkindliche Bildung auf soziale Beziehungen. Kinder brauchen Partner, die auf ihre Welt- und Selbsterfahrungen reagieren. Das kann darin bestehen, dass diese Partner die Kinder bei ihrem Tun interessiert begleiten. Manchmal werden sie sich in ihr Tun verwickeln lassen. Oder sie sprechen mit den Kindern über das, was ihnen bedeutungsvoll erscheint. Wichtig ist, dass die Kinder eine interessierte Resonanz durch die Erwachsenen erfahren. Das verlangt von den Erwachsenen, sich innerlich von dem ansprechen zu lassen, was Kinder tun (Schäfer 2003, S. 34/35).

Das mitgebrachte Beziehungsmuster

Die Beziehungen zu den primären Bezugspersonen bilden im Kindergartenalter den Hintergrund, vor dem sich neue Beziehungen ausbilden. Wie weit sie sich auf Erfahrungen mit anderen Menschen einlassen, ja selbst wie weit sie beginnen, selbständig oder mit den Gleichaltrigen ihre Umwelt zu erkunden, hängt noch davon ab, ob sie zu Hause in gesicherten Beziehungen stehen. Unklarheiten und Unsicherheiten werden ihren intellektuellen "Forscherdrang" und ihre Neugier beeinträchtigen.

Erzieherinnen erfahren immer wieder, wie machtlos sie Problemen gegenüberstehen, die die Kinder von zu Hause mitbringen. Die Kinder sind dann zu sehr mit diesen Problemen beschäftigt, ihre Bereitschaft neue Kontakte zu knüpfen ist beeinträchtigt, und ihre spontane Neugier kann nicht ausgelebt werden. Die Fachkräfte sehen sich andererseits nicht in der Lage, die individuellen Bande zu knüpfen, die solche Kinder bräuchten. In solchen Fällen helfen wohl nur Einzelbetreuungen durch therapeutisch geschultes Personal.

Die meisten Kinder brauchen und wollen diese intensiven Beziehungen zur Erzieherin aber auch nicht. Die Kinder sind in ihre Gruppe eingebunden, haben dort ihre Selbständigkeit zu behaupten und ihre Freundschaften zu pflegen. Sie müssen jedoch eine Beziehung zur Person der Erzieherin aufnehmen können, die ihre Autonomie absichert. Die Kinder suchen deshalb immer wieder für Momente die Rückversicherung, dass dieses Band weiter besteht. Sie tun das beispielsweise in den Situationen, in denen sie sich ankuscheln müssen, an der Hand geführt werden wollen oder für einige Minuten allein mit der Erzieherin spielen. Es ist wichtig, dass solche Momente möglich sind, sie schaffen einen Rahmen, der spontanes wie organisiertes Lernen erleichtert. Die persönliche Zuwendung zu den Kindern ermöglicht der Erzieherin zugleich, sich flexibel an die individuellen Eigenarten anzupassen und sie zu berücksichtigen, sowohl dort, wo Einzelne den andern Kindern vorauseilen, wie auch, wenn sie ihnen hinterher hinken.

Angebote machen

Ein zweiter Grundsatz lässt sich aus dem elterlichen Lehrverhalten entnehmen: Die Betreuer machen ihren Kindern Angebote und warten ab, ob und wann sie fähig werden, sie aufzunehmen und die Lernschritte zu gehen, die darin enthalten sind. Bis die Kinder sie ausfüllen, werden die Angebote immer wiederholt.

Das läßt sich durchaus auf die Bildungsarbeit der Einrichtungen übertragen: Es untermauert die Forderung, Kindern Aktivitäten anzubieten, die ihre Neugier wecken und ihren Forscherdrang ansprechen statt sie vorgegebenen Programmen zu unterwerfen. Sie sind deshalb als "Bildungsangebote" zu präsentieren, und mit den Kindern abzustimmen.

Die persönliche Beziehung als Rahmen und die Eigentätigkeit als Motor des Lernprozesses machen es unwahrscheinlich, dass Kinder dieses Alters erfolgreich Lernschritte machen, zu denen sie mehr oder weniger gezwungen werden. Allenfalls kann die Erzieherin, wie das in der herkömmlichen Kindergartenpädagogik häufig geschah, sanften Druck ausüben, indem sie an die Zuneigung der Kinder appelliert. Beispielsweise durch Bemerkungen, welche Freude es ihr bereiten würde, wenn alle mitmachen.

Bessere Lernchancen bieten Aktivitäten, die von den Kindern selbst angeregt und mit ihnen geplant werden. Aber auch von den Erziehenden vorgeschlagene Angebote bieten gute Voraussetzungen, wenn sie den Kindern einen Spielraum für Entscheidungen einräumen. Die freiwillige Entscheidung wird eine höhere Bereitschaft erzeugen, sich einzulassen und damit den Lerneffekt steigern.

Wo Kinder – was in diesem Alter häufig der Fall ist – unentschieden sind, kann man sie zunächst auf Probe teilnehmen lassen. Bei geplanten Gruppenaktivitäten kann man allerdings nicht jedes Kind eigene Wege gehen lassen. Das läßt sich aber lösen, indem, zumindest zu bestimmten Zeiten, in offener Arbeit vorgegangen wird, die Kolleginnen jeweils ein Angebot machen und die Kinder aus allen Gruppen sich für eine Tätigkeit entscheiden dürfen.

Anreize setzen

Schließlich ein dritter Gesichtspunkt, der der Beachtung wert ist: Die Betreuer passen sich offensichtlich präzise an die kindlichen Fähigkeiten an und können dadurch Lernanreize genau dosieren. Sie begeben sich in gewisser Weise auf das jeweilige Niveau der Kinder, erkennen sie als (fast) gleichberechtigte Partner an. Sie erwarten, dass das Kind diese Partnerschaft auch wahrnimmt, und helfen ihm, den eigenen Part immer besser auszufüllen. Über deren Äußerungen bekommen sie zugleich recht genau mit, wo sich die Kinder gerade befinden, was sie schon beherrschen und wo sie Förderung brauchen.

Man mag dagegen einwenden, dass es sich ja tatsächlich nicht um echte Partnerschaft handele, sondern der erwachsene Teilnehmer die Gleichbehandlung eigentlich nur spiele. Das ist zweifellos richtig und erinnert an die künstlich lang- und hochgezogene Stimme, mit der das Baby angesprochen wird und die einem Außenstehenden exaltiert erscheint. Es ist jedoch diese Künstlichkeit, die dem Baby das genaue Hören und Deuten der Laute erleichtert. Nur im künstlichen Raum einer von den Betreuern vorausgesetzten Partnerschaft kann sich die Kommunikationsfähigkeit des Kindes voll ausbilden. In diesem Raum können dann auch die Anreize gegeben werden, die die Fähigkeiten der Kinder erweitern, wie das Mütter tun, indem sie den Kindern stets einen Schritt vorausgehen.

Auf gemeinsamer Erfahrungsreise

Aufgabe eines Erziehers ist es nicht, Kinder zu belehren und ihnen einen fertigen Lehrstoff nahezubringen. Sie bei ihren Erfahrungen zu begleiten, verlangt mehreres: zum einen, Möglichkeiten zur Erfahrung der Kinder zu schaffen, zum zweiten, sie zu immer wieder variierenden Erfahrungsfassetten herauszufordern und, drittens, ihnen einen Dialogpartner für die Ordnung ihrer Erfahrungswelt zu sein, ohne ihre Einsichten umstandslos durch die eigenen "besseren" Einsichten ersetzen zu wollen.

Erzieher und Kind begeben sich gemeinsam auf Erfahrungsreise. Der Erzieher sollte ein Mensch sein, der mitspielt, sich den Interessen der Kinder einfügt, sich auf die Ebene von einem Kind stellen kann, "selbst noch Kind sein kann" bzw. sich in einen kindlichen Forscher verwandeln kann. Dies verlangt vom Erzieher einerseits Einfühlungsvermögen, andererseits die Bereitschaft, von Kindern zu lernen, insbesondere da, wo sich die kindliche Weltsicht von der der Erwachsenen deutlich unterscheidet. So teilen sich Kind und Erzieher die Erfahrungen, wie Erwachsene von Kindern lernen (Schäfer 2004, Kapitel 6, S. 16).

Die doppelte Rolle der Fachkräfte

Wie die gesamte Erziehungsarbeit erfordert auch die Bildungsarbeit in den Einrichtungen die Fähigkeit, stets eine doppelte Rolle einzunehmen. In der Erziehung müssen die Fachkräfte sich emotional auf die Kinder einzulassen verstehen und haben zugleich auch Vorbild und Autorität zu darzustellen. In der Bildungsarbeit haben sie gleichermaßen die Rolle eines Partners und interessierten Mitmachenden einzunehmen und auch als lebendige Informationsquelle zu dienen, die man befragen kann und die zur Hilfeleistung bereit steht. Kaum etwas kann die kindliche Neugier so sehr beflügeln wie die ehrliche Teilhabe von Erwachsenen an ihren Spielen, Ideen und Untersuchungen. Zugleich brauchen sie aber weiterführende Hinweise und Erklärungen bei der Durchführung von Aktivitäten. Aufgeschobene Antworten werden bald zwischen neuen Aktivitäten untergehen.

Ein partnerschaftliches Verhalten steht also der Anerkennung der Überlegenheit des Erwachsenen nicht entgegen. Es erfordert aber eine große Flexibilität im Verhalten der Fachkräfte, im richtigen Augenblick zu entscheiden, welchen Partner das oder die Kinder gerade benötigen. Diese Fähigkeit wird sich nur entwickeln, wenn sich die Fachkräfte selbst beobachten, die eigenen Verhaltensweisen immer wieder reflektieren und sich im Team darüber austauschen.

Der Umgang mit den eigenen Gefühlen

Für die berufstätige Erzieherin ist diese partnerschaftliche Einstellung sicher nicht so einfach zu praktizieren, wie es sich anhört.

Abgesehen von äußeren Bedingungen wie Gruppengröße, Arbeitsbelastung oder auch die bescheidene Bezahlung, die das erschweren, steht dem eine noch immer verbreitete Einstellung entgegen. Ein partnerschaftliches Verhältnis ist kaum einzunehmen, ohne sich mit seiner ganzen Person und eben auch mit seinen Emotionen einzubringen. Die eigenen Gefühle zu zeigen aber ist in der überkommenen Pädagogik eher verpönt gewesen. In der Ausbildung wurden Pädagogen dazu angehalten, die eigenen Gefühle und Impulse hintansetzen und zu übergehen.

Hinter dieser eingefleischten pädagogischen Haltung steht die Forderung, im höheren Interesse der Kinder auf das hinzuarbeiten, was diese später einmal brauchen werden. Auch in dieser Hinsicht lohnt es sich zu bedenken, wie die "intuitive elterliche Didaktik" vorgeht. Da sie auf der emotionalen Beziehung zum Kind aufbaut, schließt sie Spaß und Lust nicht aus. Im Gegenteil: Dort wo Eltern das Kind nur pflichtschuldig versorgen und betreuen, droht das selbstverständliche Zusammenspiel zu missglücken. Die Betreuer kämpfen dann nämlich ständig gegen ihre wahren Gefühle an, und die Kinder werden das an tausend kleinen Zeichen mitbekommen. Zwar brauchen Erzieherinnen ein überlegteres Verhältnis zu den Kindern als Mütter oder Väter. Aber sie erschweren sich die Arbeit, wenn sie sich den Spaß und die Freude im Umgang mit den Kindern verwehren.

Wenn sich die Fachkräfte für ihre Projekte und Lernangebote begeistern, wird ihnen nicht nur die Arbeit mehr Vergnügen und mehr Abwechslung bieten. Sie werden damit zugleich die besten Lernchancen für die beteiligten Kinder schaffen, denn kaum etwas kann die Lernbereitschaft und die Neugierde in diesem Alter mehr anregen als das spontane Interesse und die offensichtliche Begeisterung der Erwachsenen. Zugleich steigt auch die Chance, dass die Vorhaben gelingen, was wiederum die Zufriedenheit der Fachkräfte steigert. Das setzt aber auch voraus, dass sie sich auf die gemeinsamen Aktivitäten als Teilnehmer einlassen, auch in die Spiele der Kinder mit einsteigen, ernsthaft einer Frage nachgehen, die sie selbst noch nicht beantworten können, oder versuchen, gemeinsam ein Gerät auseinander zu nehmen, das sie nicht kennen. Verhaltensweisen, die dem überkommenen Selbstverständnis des Erziehens oder Belehrens eher widerstreben.


11.10.2004