Über Rhythmus, Bewegung und Musik werden prägende Erfahrungen gemacht. Sie verbinden körperliche Bewegung, kommunikatives Verhalten und die soziale Erfahrung miteinander. Sie stellen Grundkategorien frühen Lernens dar.
Rhythmus ist der Atem des Lebens. Alle körperlichen Vorgänge verlaufen rhythmisch: Herzschlag, Atmung, Anspannung und Entspannung. Auch der uns umgebende natürliche Lebensraum ist von Rhythmen geprägt: Wechsel von Tag und Nacht, von Sonne und Regen, von Sommer und Winter usw. Unser Leben verläuft in zahlreichen miteinander verwobenen Rhythmen.
Die rhythmische Erfahrung begleitet uns von Anfang an. Schon im Mutterleib hören wir auf den Rhythmus des mütterlichen Herzschlags und lauschen der Intonation ihrer Stimme. In ihrem Zusammenspiel legen sie die Grundlage aller späteren Musikalität: Melodie und Rhythmus.
Sie bilden zugleich auch die Voraussetzungen für Kommunikation und Sprache. Artikulieren und Verstehen gesprochener Sprache wäre undenkbar ohne ihre Einbettung in rhythmische Strukturen: Nur weil wir sie in rhythmisch gegliederte Abschnitte unterteilen, können wir Folgen scheinbar willkürlicher Laute in einzelne Bestandteile zerlegen, als Worte und Sätze entschlüsseln. Nur weil unser Sprechen den in unserer Sprache üblichen rhythmischen Mustern folgt, werden wir auch verstanden.
Sich in Tanz, Rhythmus und Musik in die gleiche "Schwingung" zu versetzen, ist wiederum eine entscheidende soziale Erfahrung, die die Bereitschaft entwickelt, sich in die Gruppe einzufügen, und steht damit am Beginn alles dessen, was wir als "soziales Lernen" bezeichnen.
Säuglinge unterscheiden noch nicht zwischen Sprechen und Singen. Über Tonführung und Satzmelodie ahnen sie den Inhalt sprachlicher Äußerungen, längst ehe sie Sprache verstehen. Nach dem Spracherwerb können Kinder etwa um den zweiten Geburtstag herum Gesang von gesprochener Sprache unterscheiden, und sie beginnen selbst spontan erste Gesänge zu produzieren. Das sind Sprechgesänge, die stark rhythmisch geprägt sind und eine gewisse melodische Kontur halten. Beim Nachsingen gehörter Lieder treffen sie in etwa den Rhythmus, die Melodie aber wird nur als Kontur angedeutet, ohne die Töne zu treffen. In den folgenden Jahren nähern sich die Konturen den Melodien an, es wird aber davon ausgegangen, dass Kinder erst mit circa sechs Jahren die Tonarten erkennen und halten können. Schon vorher verschwinden die Sprechgesänge und machen improvisierten Liedern Platz, die nun näherungsweise Melodien halten und Tonarten zu beachten suchen.
Das sind aber nur Durchschnittswerte. Musikalisch begabte Kinder können Melodien und Tonarten oft auch früher erkennen und wiedergeben. Die Entwicklung wird je nach der Förderung, die sie in diesen Jahren erfahren, sehr variieren.
Dabei kommt es zunächst auf die Ausbildung des Gehörs an. Eine Förderung sollte sich nicht auf musikalische Klänge beschränken, sondern auch für alltägliche Klangereignisse sensibilisieren. Den Gegenständen, die die Kinder umgeben, können vielfältige und überraschende Klänge entlockt, ihre Unterschiede wahrgenommen und darüber das genaue Hinhören geschult werden. Über die Wiederholungen der Klangproduktionen ergeben sich rhythmische Strukturen, die spielerisch abgewandelt und darüber das Rhythmusgefühl entwickeln. In den Einrichtungen können auch Klanginstrumente gebaut und erprobt werden. Schließlich können sich Kinder an einfachen Musikinstrumenten versuchen, wie sie in vielen Einrichtungen zur Ausstattung gehören.
Die Motivation, selbst zu singen, wird umso größer sein, je früher den Kindern vorgesungen wird. Das Hören von Liedern und Melodien auf Musikkassetten weckt zwar auch das Interesse an Musik und Gesang, kann das lebendige Vorsingen aber kaum ersetzen. Wie in anderen Bereichen brauchen Kinder auch hier die Verbindung mit einer greifbaren Person, um über das Vorbild selbst zum Singen zu kommen. Zunächst kommt es dabei nicht auf die musikalische Qualität des Gesangs an. Wichtiger ist die Anregung und der Wunsch selbst zu singen. Es sind vor allem Lieder, die sich mit Spiel und Bewegung verbinden, die die Lust an musikalischer Betätigung bestärken.
Zu Liedern und Musikstücken von der Konserve sollten Kinder auch immer wieder tanzen. Über das gegenseitige Einschwingen in Rhythmus und Melodie werden sie in ihrer Zusammengehörigkeit als Gruppe bestärkt.
Manuela Widmer: Alles, was klingt. Elementares Musizieren im Kindergarten, Freiburg 1997
Elementares Musizieren als Einheit von Bewegung, Sprache und Klang
Hermann Große-Jäger: Freude an Musik gewinnen. Musikerziehung im Kindergarten, Freiburg 1999
Klanggeschichten, Kindertänze, Musikstücke, Spielen auf einfachen Instrumenten
Dorothée Kreusch-Jacob: Musikbuch für Kinder, Witzenhausen 2001
Spielideen, Lieder, Bewegungsvorschläge, Bastelideen, Wahl von Instrumenten für Kinder
Hans Günther Bastian: Kinder optimal fördern – mit Musik, 2001
Nach einer Studie, die an Berliner Grundschulen durchgeführt wurde und die darauf deutet, dass Musikbetätigung die Intelligenz fördert.
Johannes Beck-Neckermann: Handbuch der musikalischen Früherziehung. Theorie und Praxis für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen, Freiburg 2002
Hören und Erleben von Klängen, Sprachspiele, Hörbarmachen von Gefühlen, Bewegungsspiele
Auch alle körperliche Bewegung erfordert die Beherrschung rhythmischer Strukturen. Schon die scheinbar unkoordinierten Bewegungen des Säuglings folgen individuellen rhythmischen Mustern, in die Mütter sich einzustimmen verstehen und darüber dem Kind Gemeinsamkeit und Zusammenklang signalisieren. Später baut sich die selbständige Fortbewegung auf Rhythmen auf. Gehen, Laufen, Hüpfen, Springen gelingen nur, wenn alle dafür nötigen Bewegungen in der angemessenen rhythmischen Abfolge ausgeführt werden.
Sinneswahrnehmung baut auf den Kontrasten auf, die durch wechselnde Eindrücke erzeugt werden, und es ist die Bewegung, die diese wechselnden Wahrnehmungen stimuliert. Beim Berühren spüren wir zunächst einen intensiven Reiz, der nachläßt, solange wir die Hand ruhig liegen lassen. Sobald wir sie aber weiterführen, werden Kontraste spürbar und die Wahrnehmung wird gesteigert. Da wir mit beiden Ohren und deshalb von unterschiedlichen Standpunkten aus hören, können wir Klänge auch räumlich orten. Der Höreindruck wird aber intensiver, sobald wir uns selbst durch den Raum bewegen. In unsere Augen schließlich ist die Bewegung schon eingebaut: Die Augäpfel vollführen ständig eine leichte, uns unbewusste Zitterbewegung, die uns erlaubt auch unbewegte Gegenstände zu sehen. Aber wo die Gegenstände selbst sich bewegen, intensiviert sich das Sehen. Darum ist der Blick aus dem fahrenden Zugfenster so faszinierend. Das Fernsehen schließlich fesselt, weil die Bilder in ständiger Bewegung sind und wir uns die eigene Bewegung ersparen.
Aufgrund kultureller Prägung sind wir auf die körperfernen Sinne, Hören und Sehen, ausgerichtet. Es sind auch die Sinne, die sowohl in der Schule wie in der Öffentlichkeit im Vordergrund stehen und ständig gefordert werden. Die öffentlichen Massenmedien (Fernsehen, Funk, Werbung), aber auch Printmedien (wie Zeitungen und Bücher) bedienen ausschließlich diese Sinnesbereiche. Medialen Reizen sind Kinder schon sehr früh und intensiv ausgesetzt, so dass diese Wahrnehmungsbereiche übermäßig stimuliert und ausgebildet werden. Darunter leidet dann die Entwicklung der "körpernahen Sinne": Die taktile Wahrnehmung über die Hautoberfläche, die "propiozeptive" Wahrnehmung, mit der wir unsere Muskelbewegung von innen wahrnehmen und steuern, der Gleichgewichtssinn, der uns die Körperhaltung im Raum zurückmeldet sowie Geschmackssinn und Geruchssinn.
Es sind aber gerade die körpernahen Wahrnehmungen, auf die Kinder zunächst ansprechen. Schon kurz nach der Geburt erkennen Säuglinge die Mutter am Geruch. In den ersten Lebensmonaten hängt ihr Wohlbefinden vom Gehaltenwerden und dem Hautkontakt ab. Mit der allmählichen Beherrschung der Muskeln lernen sie auf ihre Umwelt einzuwirken. Es ist die innere Muskelwahrnehmung, von der die zielgerichtete Bewegung abhängt. Sobald sie sich aufrichten, wird ihr Gehen, Laufen und Hüpfen von der situationsgerechten Auswertung der Wahrnehmungen gesteuert, die ihnen das Gleichgewichtsorgan liefert. "Zuerst entwickeln sich die Sinne, die uns Informationen über unseren Körper und seine Beziehung zur Anziehungskraft der Erde geben. Erst danach folgt die Differenzierung der Sinne, die uns Informationen über körperferne Dinge liefern" (Zimmer 1993, S. 66).
Diese frühen Wahrnehmungsbereiche hinterlassen tiefe Spuren, die auch im Kindergartenalter noch nachwirken. In den Kindergartenjahren differenzieren Kinder ihre Beweglichkeit und ihre körperlichen Fähigkeiten weiter aus, erlernen neue und komplexere Bewegungsabläufe und suchen sie zu vervollkommnen. Dabei sind sie auf die exakte Rückmeldung dieser "niederen" Sinneswahrnehmungen angewiesen. Werden sie nicht ausreichend in Anspruch genommen, dann muss sich das Kind auf die Informationen verlassen, die ihm die "höheren" Sinne vermitteln. Sie richten dann Bewegungen nach den Seheindrücken aus, und das führt etwa dazu, dass sie nicht mehr rückwärts auf einer geraden Linie laufen können.
Differenzierte Wahrnehmung braucht Beweglichkeit und die Wahrnehmung ihrerseits drängt wieder nach Bewegung. Diesen engen und wechselseitigen Zusammenhang von sensorischer Wahrnehmung und motorischer Betätigung drückt sich in dem Begriff der "Sensomotorik" aus, über das alles kindliche Lernen beginnt, ein Lernen, das noch ausschließlich an Wahrnehmung und Tätigkeit gebunden ist. Die "sensomotorischen Schemata" werden zunächst in zufälligen Bewegungsabläufen gefunden, dann systematisch wiederholt, bis sie sich als feste und abrufbare Handlungsmuster eingeschliffen haben. Auf der Ebene der Gehirnaktivität entstehen dabei feste Vernetzungen, die nach Bedarf immer wieder aktiviert werden können. Es ist sozusagen ein "Körperwissen", das auf der körperlichen Beweglichkeit beruht und nur über die körperliche Aktivität ausgebildet werden kann. Wie gut es sich ausbildet, hängt davon ab, ob es ausreichend angeregt und betätigt wird. Körperliche Beweglichkeit und Geschicklichkeit (die sogenannte "Grobmotorik" ) kann sich aber nur in dem Maße entwickeln, wie Kindern Anregung und Gelegenheit zu vielfältigen Bewegungen geboten wird.
Die Eroberung der Fortbewegung verschafft dem Kind eine neue und bislang ungeahnte Freiheit.
Indem Kinder am Ende der Säuglingszeit sich aufzurichten beginnen, zunächst krabbelnd auf allen Vieren, dann aufrecht gehend sich fortbewegen lernen, verändert sich ihr Verhältnis zur umgebenden Welt: Ihre Beziehungen können sie nun selbst gestalten, indem sie sich den Bezugspersonen zuwenden, auf sie zulaufen oder sich von ihnen entfernen. Die Gegenstände in ihrer Umgebung können sie jetzt heranholen, sie untersuchen, sie manipulieren und verändern. In dieser ersten Phase nach dem Laufenlernen scheinen die Kinder wie berauscht von den neuen Möglichkeiten.
In den folgenden Jahren werden die Bewegungsabläufe ständig weiter entwickelt und ausdifferenziert. Jede Bewegung setzt eine komplizierte wechselseitige Regulation von Gleichgewicht, Muskelspannung und Gehirnaktivität voraus, die durch die Betätigung ständig verbessert und genauer koordiniert wird.
Bei ungestörter Entwicklung werden im zweiten und dritten Lebensjahr Bewegungsweisen erworben wie Gehen, Laufen, Rennen, Hüpfen, Klettern, Rollen sowie die Anfänge des Werfens und Fangens oder des Balancierens. Anfangs werden alle diese Bewegungsweisen mit geringer Koordination und hohem Muskeleinsatz ausgeführt und können deshalb noch zu wenig gesteuert werden. Wenn Kinder die ersten selbständigen Schritte machen, heben sie die Beine, ohne die Füße abzurollen. Die Hände werden nach vorne gehalten, der Rumpf wird aber nicht mit bewegt. Sie scheinen deshalb mehr nach vorne zu fallen und haben Schwierigkeiten anzuhalten. Erst wenn die Bewegungen des gesamten Körpers koordiniert werden können, der Körper leicht um die Wirbelsäule rotiert, die Arme im Rhythmus mitschwingen, die Fußsohlen auf dem Boden abgerollt werden, wird es möglich, im Gleichgewicht balancierend zu gehen und die Schnelligkeit zu dosieren.
Ähnliche Koordinationen erfordert das Werfen und Fangen. Geworfen wird erst mit dem Schwung des gesamten Körpers, ehe es mit beiden, und schließlich auch mit einer Hand gelingt. Der Muskelaufwand kann dabei immer genauer auf die beabsichtigte Wirkung abgestimmt werden. Beim Fangen wird der Ball zunächst mit dem ganzen Körper abgefangen, ehe sich die Arme nach ihm ausstrecken und ihn auch erreichen, wenn er neben dem Körper vorbeifliegt.
In der Zeit zwischen dem dritten und dem siebten Lebensjahr können die Bewegungsabläufe immer differenzierter und genauer auf die angestrebte Leistung eingestellt werden. Statt der zunächst eher ganzkörperlichen Bewegungen des Kleinkindes werden immer mehr Teilbewegungen möglich und einzelne Muskeln getrennt voneinander betätigt. Zugleich wächst die Fähigkeit, diese gezielten Einzelbewegungen zu koordinieren und aufeinander abzustimmen.
Differenzierung und Koordination aber entwickeln sich nicht von selbst. Die Steigerung von Beweglichkeit und Geschicklichkeit wächst im ständigen Erproben, Anwenden und Weiterentwickeln der gelernten Bewegungsmuster. Gesteigert werden dabei einmal die körperliche Kondition: Ausdauer, Kraftentfaltung und Schnelligkeit. Zweitens die Koordination der Bewegungsabläufe, die sich in der Fähigkeit der exakten Steuerung, der Anpassung an die gegebene Situation und dem berechneten Einsatz der Muskelkraft ausdrückt.
Jede Erweiterung der motorischen Fähigkeiten liefert zugleich einen Baustein für das kindliche Selbstbewusstsein und stärkt den Willen des Kindes, indem es erfährt, dass es auf seine Umgebung einzuwirken und sie zu gestalten versteht.
Die Ausbildung der Beweglichkeit setzt voraus, dass den Kindern der nötige Bewegungsraum, Zeiten ungehinderter Bewegung und Situationen, die zur Bewegung anregen, zur Verfügung stehen. Die Lebensbedingungen, unter denen sie heute aufwachsen, drohen jedoch die "natürliche" kindliche Bewegungslust an vielen Stellen einzuschränken und zu behindern.
Zum einen haben sie zu wenig Räume, die große Bewegungen zulassen und herausfordern. Die Wohnungen bieten dafür kaum Platz, die Kinderzimmer sind meist sogar kleiner als die Räume der Erwachsenen. Der mit der Bewegung verbundene Lärm droht Mitbewohner, insbesondere in Mietwohnungen, zu stören. Bewegungsspiele können in den Häusern kaum ausgeführt werden.
Ausgelassene Bewegung geht nur draußen. Aber eigene Gärten haben nur Einfamilienhäuser, und auch dort verhindert das Bedürfnis der Erwachsenen nach Ruhe und Ordnung allzu wilde Spiele. Als Betätigungsraum in den Städten standen früheren Kindergenerationen die Straße und die Höfe hinter den Häusern offen. Straßen werden heute vom Verkehr beherrscht und können von jüngeren Kindern nicht mehr allein betreten werden. Die Hinterhöfe sind meist abgesperrt, wo früher Werkstätten und kleine Betriebe angesiedelt waren, wurden stille Wohnquartiere eingerichtet. Als Ersatz für den öffentlichen Raum bleiben nur die eigens dafür eingerichteten Spielplätze, die aber Kindergartenkinder fast nur in Begleitung von Erwachsenen erreichen können. Nur gelegentlich gibt es noch freie Grundstücke oder Streifen von Ödland, aber ihr Betreten ist untersagt oder sie bergen Gefahren.
Dass Spielräume nicht selbständig und spontan genutzt werden können, schränkt auch die Zeiten freien Spielens ein. Die Kinder werden abhängig vom Zeitplan der Erwachsenen, die sie zu einem Spielplatz oder einer Freizeitaktivität bringen und wieder abholen müssen. Selbst wenn die Bezugspersonen sich Zeit nehmen und ein breites Angebot an anregenden Kursen und Aktivitäten organisieren, wird den Kindern eine ständige Regulation ihrer spontanen Bedürfnisse abverlangt. Spiel und Bewegung können sich nicht mehr nach den momentanen Impulsen richten, sondern müssen zurückgestellt werden, bis sie im Zeitplan vorgesehen sind. Kinder müssen dabei zu früh und zu oft ihre Bewegungslust und ihre Spielideen einzuschränken und zu regulieren lernen.
Vom kindlichen Bedürfnis her gesehen bietet das Fernsehen einen Ausweg. Die bewegten Bilder der audiovisuellen Darstellung erzeugen im Betrachter den Eindruck, an den gezeigten Bewegungen leibhaftig teilzunehmen. Die über Auge und Ohr aufgenommene Bewegung droht deshalb den eigenen Bewegungsimpuls zu reduzieren, ihn mit der rezipierten Bewegung zu kompensieren. Verstärkt wird diese Tendenz bei den Computerspielen, die dem Spielenden sogar erlauben, die rezipierte Bewegung zu steuern. Wird beim reinen Sehen der gesamte Bewegungsapparat stillgestellt, beschränkt er sich beim Computerspielen auf die Bewegungen weniger Finger, die allerdings mit großer feinmotorischer Geschicklichkeit betätigt werden. In beiden Fällen wird die grobmotorische Bewegung ausgeschlossen.
Das ist allerdings kein Grund, Kinder prinzipiell vom Fernsehen oder auch vom Computer fernzuhalten. Die entscheidende Frage lautet, ob diese Medien die eigenständige Bewegung einschränken oder nicht. Wenn Kinder fernsehen, nachdem sie sich körperlich ausgetobt haben und eine Ruhephase brauchen, steht das in einem andern Zusammenhang, als vor dem Fernseher zu sitzen, weil andere Betätigungen verbaut sind oder gar weil die Erwachsenen nicht gestört werden dürfen.
Wenn das Bedürfnis nach Bewegung und die Lust, sich zu bewegen, zu oft unterdrückt und zu wenig ausgelebt werden, werden sie sich in veränderter Form Bahn brechen. Es ist deshalb sicher kein Zufall, dass der Anteil von Kindern steigt, denen "Hyperaktivität" diagnostiziert wird und die daraufhin behandelt werden.
Die verbreitete medizinische Behandlung mit Ritalin und ähnlichen Psychopharmaka ist allenfalls kurzfristig vertretbar, da sie die Kinder apathisch macht und die Bewegungsimpulse unterdrückt. Die notwendige körperliche und psychische Stimulierung, die die Bewegung auslöst, wird unterbunden, die Kinder werden bei längerfristiger Behandlung in ihrer gesamten Entwicklung zurückgeworfen und geschädigt.
Hyperaktivität, heute meist als "Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom" (ADS) bezeichnet, steht sicher häufig mit Beziehungsproblemen in den Elternhäusern in Verbindung. Eine rein medizinische Diagnose und Behandlung droht gerade diese Zusammenhänge zu verwischen, indem die Ursachen einseitig in Stoffwechselvorgängen oder in Gehirnfunktionen gesucht werden und damit die Eltern von ihrer Verantwortung entlasten. Zugleich erfolgt eine äußerliche Anpassung des Kindes an vorgegebene Anforderungen, ohne deren Rückwirkungen auf die kindliche Entwicklung beachten zu müssen.
Wo tatsächlich tiefergehende Ursachen vorliegen, werden Erzieherinnen machtlos sein, es sind dann therapeutische Maßnahmen notwendig, die der Kindergarten allenfalls vermitteln kann. Es spricht aber viel dafür, dass die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten zur verbreiteten Hyperaktivität beitragen. Deshalb sollten diesen Kindern vor und auch während jeder therapeutischen Behandlung sowohl Angebote für ihren Bewegungsdrang wie Hilfen zum Stillewerden geboten werden.
W.-W. Wolfram: Hyperaktive und unruhige Kinder im Kindergarten, 1999
Hilfe zur Unterscheidung von allgemeiner Unruhe von Kindern und Hyperaktivität sowie Anleitung zum Umgang mit betroffenen Kindern
H. Köckenberger: Hyperaktiv mit Leib und Seele, 2001
Ursachen und Diagnosen, veränderte Sichtweisen und praktische Konsequenzen im Umgang mit hyperaktiven Kindern
Bewegungen, die bewegungsunruhigen Kindern helfen
Kleine Kinder genießen zunächst die bloße Bewegung. Je mehr Spielen zur hauptsächlichen Beschäftigung wird, desto mehr verbindet sich die Lust an der Bewegung mit einer Vorstellung, die in und mit der Bewegung realisiert wird. Mit wachselnder Vorstellungsfähigkeit wird das Spiel zum leitenden Motiv für die Bewegungsfreude. Spiel realisiert innere Vorstellungen, indem die Spielinhalte stellvertretend an anderen Handlungen und Gegenständen ausgeführt werden. Es braucht deshalb die Bewegung, um sie zu verwirklichen. Der Bewegungsimpuls führt jetzt rasch zum Ausdenken von Spielhandlungen und andererseits ruft alles Spielen nach Bewegung.
Angebote der Bewegungsförderung sollten sich deshalb immer auch mit einer Spielphantasie verbinden, wenn sie das andauernde Interesse der Kinder wecken wollen. Und umgekehrt besetzen Kind auch schlichte Bewegungsparcours sofort mit einer Spielvorstellung.
Die Ausbildung der körperlichen Beweglichkeit legt die Grundlage für das Bild, das sich das Kind von sich selbst im Verhältnis zu den Anderen macht.
In der eigenen Beweglichkeit erfährt das Kind zuerst, wer es ist.
Eine wesentliche Vorbedingung für die Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls ist das Bereitstellen von Situationen, in denen das Kind selbst aktiv werden kann. (....) Eine völlig offene Situation, die weder durch getroffene Aufgabenstellungen noch durch äußere Grenzen eingeengt ist, überfordert das Kind. Ein möglichst großer Handlungsspielraum innerhalb einsichtiger und sinnvoller Grenzen, die z.B. vom Material, von strukturierten Angeboten und den Anregungen der Erzieherin oder den anderen Kindern ausgehen können, gibt ihm dagegen die Freiheit der Entscheidung, aber auch Hilfen für die selbständige Bewältigung der Situation.
Die Erzieherin hat darüber hinaus die Möglichkeit, die positive Selbstwahrnehmung des Kindes zu unterstützen, indem sie
Die Bewegungserziehung sollte immer auch so konzipiert sein, dass Kinder sich aus unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen das Angebot auswählen können, das ihren Voraussetzungen entspricht.
Kein Kind sollte gezwungen oder auch nur gedrängt werden, an einem Bewegungsspiel teilzunehmen oder eine bestimmte Aufgabe, die von der Erzieherin gestellt wird, auszuführen (Zimmer 1993, S. 29/30).
Ausgelassene Bewegung verbraucht Energie und macht Hunger. Kinder, die sich in Spiel und Bewegung verausgaben, entwickeln dabei auch ein Gefühl für die Bedürfnisse ihres Körpers: Die konzentrierte Anspannung lässt sie Ruhe und Entspannung suchen. Hunger und Durst signalisieren ihnen, wann ihre Kräfte erschöpft sind. Essen und Trinken kann dann in vollen Zügen genossen werden.
Bewegungsmangel dagegen riskiert zu falscher Ernährung zu führen.
Bei der Nahrungsaufnahme geht es ja nicht nur darum, dem Körper die nötigen Nahrungsstoffe wie Kalorien oder Vitamine zuzuführen. Sie ist auch stets emotional eingefärbt, beeinflusst unser psychisches Befinden. Gegessen wird auch, um Zuwendung und Gemeinschaft zu erfahren. Die emotionalen Bedeutungen, die das Essen begleiten, wurzeln in frühkindlichen Erfahrungen der Versorgung und der Zusammengehörigkeit. Sie müssen eine angemessene Nahrungsaufnahme nicht stören, können sie im Gegenteil sehr befördern, indem sie den Genuss und das Wohlbefinden steigern. Sie können sich allerdings auch verselbständigen: Dann wird nur noch gegessen, um sich diese Form der Zuwendung zu verschaffen und die Signale des Hungerns oder der Sättigung werden übergangen.
Bewegungsmangel kann diese Tendenz noch zusätzlich verstärken, da nun auch die Selbstwahrnehmung und die Befriedigung, die körperliche Bewegung erzeugen, wegfallen und die Tendenz, Lust und Zuwendung über das Essen zu erfahren, übermächtig werden. Bewegungsmangel und falsche Ernährung bedingen sich also häufig und führen zu Übergewicht und Fettleibigkeit, die eine lebenslange Konstitution begründen, wenn sie in so frühen Jahren auftreten.
Auf der anderen Seite spricht vieles dafür, dass Tendenzen zur Magersucht, die vor allem unter Mädchen im Jugendalter auftritt, schon in den ersten Lebensjahren angelegt werden. Sie gehen wohl häufig auf problematische Formen frühkindlicher Beziehungen zurück. Gesellschaftliche Körpernormen verstärken diese Tendenz und führen dazu, dass die Signale des Körpers überhört und die Nahrungsaufnahme nur noch nach den Anforderungen an Aussehen und Auftreten ausgerichtet wird. Die wachsende Bedeutung, die Kindermoden und Markenwaren auch schon im Vorschulalter spielen können, drohen diese Tendenzen bis in dieses Alter vorzuverlegen.
Während für den Erwachsenen zum Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit eine zwei- bis dreimalige körperliche Belastung von circa 60 Minuten in der Woche durchaus als ausreichend angesehen werden kann, benötigen Kinder zum Aufbau ihrer organischen Funktionen eine tägliche Belastungseinheit von mindestens zwei Stunden. Der Heranwachsende braucht zum Aufbau seiner Gesundheit mehr Bewegung als der Erwachsene zum Erhalt seiner Gesundheit (Breithecker 2002, S. 3).
Entscheidend für angemessene Ernährung ist es, dass Kinder auf ihre körperlichen Signale zu achten lernen und eine positive Einstellung zu ihrem Körper, so wie er ist und sich entwickelt, ausbilden. Das schließt dann gleichermaßen ein, dass sie ihren Impulsen, sich zu bewegen und sich in der Bewegung zu erproben, nachgeben, sich verausgaben und danach wieder zu Ruhe und Entspannung finden, den Hunger stillen, aber zu essen aufhören, wenn sich das Gefühl der Sättigung einstellt.
Wie sie mit der Ernährung umgehen, wird zwar sicher von der Versorgung in früher Kindheit geprägt, aber ihr Essverhalten ist in jungen Jahren noch sehr wohl formbar und veränderbar und kann durch Angebote verändert werden, die ihre Selbstregulierung und ihre lustvolle Selbstwahrnehmung ansprechen.
Gerade auf das Essverhalten können die Einrichtungen der Tagesbetreuung durch die Art und Weise Einfluss nehmen, wie mit den Mahlzeiten umgegangen wird und welche Essensregeln gelten. Es versteht sich von selbst, dass dabei auf eine ausgeglichene vitamin- und rohstoffreiche Kost zu achten ist. Aber es geht eben nicht nur um die "richtigen" Stoffe. Eine Vollwertkost, die nicht auch den Geschmack anspricht und mit Genuss verzehrt wird, wird allenfalls dazu führen, dass sie von Kindern, wo es nur geht, umgangen wird, um sich mit den Süßigkeiten einzudecken.
Zum Genuss gehört die Form, in der das Essen eingenommen wird. Dafür gibt es kaum einheitliche Regeln, sie müssen jeweils in den Gruppen und Einrichtungen nach ihren Bedingungen gefunden werden. Für das Frühstück kann unter Umständen ein über längere Zeit aufgebautes Buffet ebenso sinnvoll sein wie das gemeinsame Frühstücken rund um den Tisch. Wichtig ist, dass die Kinder dabei mithelfen, das Essen zu servieren, aber auch mitbestimmen, wie es geschehen soll, etwa ob sie auf festen Plätzen sitzen oder sich jeweils nach Freundschaftsgruppen Platz suchen. Das mit ihnen abgesprochene Ritual werden sie dann auch selbst einzuhalten suchen.
Auf keinen Fall sollte Essen als Mittel der Disziplinierung eingesetzt werden, auch wenn das gerade in Deutschland eine lange Tradition haben mag. Wo dies geschieht, wird unweigerlich das individuelle Körpergefühl des Kindes beeinträchtigt und die Selbstregulation erschwert. Auch wenn Kinder gegen gewisse Speisen schiere Vorurteile haben oder gerade der "Leithammel" äußerte: "Bäh, das schmeckt blöde", und dann auch die übrigen Kinder das Essen furchtbar finden müssen, sollten sie nicht gezwungen werden. Irgendwann ändert sich der Geschmack von allein, und plötzlich essen die Kinder, was sie früher verschmäht haben. Auch gibt es sinnvollere Formen der Bestrafung als den Entzug des Nachtisches.
Dort, wo in den Einrichtungen selbst gekocht wird, können die Geschmäcker und Vorlieben der Kinder berücksichtigt werden. Problematischer ist, dass für viele Einrichtungen das Essen aus der Großküche kommt und nach einem festen Speiseplan geliefert wird. Vor allem aber können Kinder nicht mehr mitbekommen, dass und wie das Essen zubereitet wird. Da auch in vielen Familien Fertigessen aus Dosen oder Tiefkühlkost auf den Tisch kommen, fällt eine für das Essverhalten wesentliche Erfahrung weg. Gelegentliche Backaktionen können das nicht ausgleichen. Sie führen überdies oft zu der paradoxen Situation, dass einen Vormittag lang gebacken wurde und anschließend das Essen aus der Großküche eingenommen wird. Die heimliche Botschaft lautet dann, dass man ja doch kein richtiges Essen zustande brachte.
Ein aktives und positives Verhältnis zum Essen wird unterstützt, wenn sich die Kinder an der Zubereitung des Essens beteiligen können. Sie bekommen dabei Grundkenntnisse über Nahrungsmittel, begreifen, wie unterschiedlich sie zubereitet werden und können das Essen auf ihren Geschmack ausrichten. Indem sie lernen, auf ihren Geschmack zu achten, und indem sie erfahren, dass ihr Geschmack berücksichtigt wird, wird ihre Körperwahrnehmung unterstützt und sie können sich leichter danach richten.
Darüber hinaus gibt es beim Mithelfen in der Küche noch eine Menge zu lernen:
Beim Kochen kann nur jeweils eine kleine Zahl Kinder teilnehmen und es wird entschieden mehr Zeit in Anspruch nehmen, als die Köchin allein dafür brauchen würde. Aber diese Zeit ist gut investiert und die Zahl der beteiligten Kinder lässt sich nach Bedarf regeln, indem jedes Kind, das möchte, irgendwann einmal an einer Kochaktion teilnehmen darf. Und mehr ist auch gar nicht machbar und wünschenswert. Es geht um die exemplarische Erfahrung, dass und wie das Essen hergestellt wird, um einen lebendigen Bezug zur Nahrungsaufnahme herzustellen.
Dagmar Rohlfing/ Susanne Brandt: Kursbuch Ernährungserziehung. So ernähren sich Kinder rundum gut, München 2002
Neben Informationen zur gesunden Ernährung auch Anregungen für Spiele, Lieder, Geschichten, Exkursionen und Aktionen zum Thema
Klaus Hurrelmann/ Katrin Klaubert (Hg): Wie Kinder gesund bleiben. Kleines Gesundheitslexikon für Kindergarten und Grundschule, Weinheim 2000
Artikel zu wichtigen Themen von Ernährung, Gesundheit und Erkrankungen von Kindern
Von den hautnahen Themen Gesundheit und Essen können Projekte und Angebote aus dem Bereich Natur und Umwelt ausgehen. An Kochaktionen kann sich die Frage anschließen, woher die Lebensmittel kommen, die im Supermarkt verkauft werden. Ihr kann nachgegangen werden, indem selbst einige Nutzpflanzen angebaut, Gärten und Bauernhöfe oder auch Lebensmittelbetriebe besucht werden.
Und selbstverständlich müssen Kinder begreifen, dass der Körper auch sehr verletzlich ist, dass ihn Krankheiten befallen können und dass man Erkrankungen durch Ernährung und Bewegung vorbeugen kann. Anlässe dazu bieten immer wieder die Erkrankungen einzelner Kinder, die dann etwa auch im Krankenhaus besucht werden können.
Grundkenntnisse über den menschlichen Körper können sich hier anschließen, die dann auch schon den Bereich von Natur und Umwelt berühren. Im Anschluss an Kochaktionen kann beispielsweise Verdauung und Verwertung der Nahrung zum Thema werden. Aus Krankheiten ergeben sich Fragen nach den erkrankten Organen und ihrer Arbeitsweise.
Es bedarf keiner großen Erwähnung, dass die Gesundheitserziehung auch einschließt, auf die Zahnpflege zu achten und die Kinder anzuhalten, sich regelmäßig die Zähne zu putzen. Wiederum sollte es vermieden werden, den Genuss von Süßigkeiten zu verteufeln. Andererseits müssen die Kinder wissen, dass sie die Zähne angreifen und Karies verursachen.
Bewegungserziehung fand in dem Maße Eingang in die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, je offensichtlicher es wurde, dass immer mehr Kinder eingeschränkte motorische Fähigkeiten zeigten. Insbesondere bei den Schuleingangsuntersuchungen wurde eine wachsende Zahl von Kindern vorgefunden, die gegenüber der durchschnittlichen Entwicklung zurückblieben. Aus der "Motopädagogik" (Kipphard) wurden in den 80er Jahren Verfahren für eine allgemeine Bewegungserziehung im Elementarbereich sowie im Primarbereich der Schulen abgeleitet. Seit den 90er Jahren sind sie allgemein bekannt geworden, und werden heute mehr oder weniger flächendeckend angewandt. Sie sind zu einem unverzichtbaren Teil elementarer Förderung geworden, denn sie antworten auf die veränderten Lebensbedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen.
Die Bewegungserziehung unterscheidet sich allerdings grundlegend vom überkommenen Sportunterricht, indem
Anregungen und Herausforderungen zu Bewegung, Spiel und Sport können z.B. ausgehen von
Zur Sensibilisierung der Wahrnehmung können sogenannte "Fühlbahnen" angeregt werden, die Kinder sehr leicht und meist auch mit viel Phantasie selbständig einrichten.
Es werden dafür im Innen- oder Außengelände Stationen gebaut, die mit den verschiedensten Materialien ausgelegt werden: Fußabstreifer, Teppichfliesen, Sandpapier, Plastikplanen, Bretter, Sand, Kies, Steroporkugeln usw. Nun werden Kinder mit verbundenen Augen und bloßen Füssen von Station zu Station geführt, um zu raten, was sie unter den Füßen spüren. Es können ihnen Gegenstände in die Hand gedrückt oder Riechproben aus Gläsern unter die Nase gehalten werden. Alle diese Proben richten die Aufmerksamkeit auf die körpernahe Sinneswahrnehmung.
In ähnlicher Weise kann das genaue Hören angeregt werden, indem Kinder in alte Fotodosen Material einfüllen, die Dose dann geschüttelt wird und geraten werden muss, was sich in den Dosen befindet.
Aber auch das genaue Sehen verdient Förderung, gerade weil die Eindrücke der Augen alle andern Sinneswahrnehmungen zu überwältigen drohen. Es geht dabei um das genaue aufmerksame Hinsehen und die veränderten Seheindrücke, die durch Ausschnitte, durch die Verwendung von Vergrößerung, Verkleinerung, Spiegeleffekten, Licht und Schatten erreicht werden.
Ingeborg Becker-Textor: Mit Kinderaugen sehen. Wahrnehmungserziehung im Kindergarten, Freiburg 1992
Vorschläge zur Wahrnehmungsschulung, insbesondere des Sehens, in Kindergarten, Kunst und Kultur, Natur und gegenüber Medien
Wolfgang Beudels/ Nicola Kleinz/ Kerstin Delker (Hg.): Außer Rand und Band, WenigKostenvielSpaßGeschichten mit Alltagsmaterialien, Dortmund 1997
Im letzten Abschnitt Vorschläge zu Fühlbahnen und zur Wahrnehmungsförderung
Krista Mertens: Lernprogramm zur Wahrnehmungsförderung, Dortmund 2001
Übungen zur Sinneswahrnehmung, zur Körperwahrnehmung, Entspannungs- und Konzentrationsübungen
In einer Halle oder einem genügend großen Raum werden mit den klassischen Turngeräten (wie Kasten, Matten, aber auch Tischen, Bänken, Stühlen, Brettern) sowie einem vielfältigen Material (Seile, Tücher, Kartons, Kisten etc) Bewegungsbahnen angelegt, die großräumige Bewegungen provozieren und Anforderungen an die Kinder stellen, die sie benutzen. Da Kinder in ihnen nicht einfach Anlagen sehen, an denen sich die eigene Beweglichkeit messen und trainieren lässt, sondern sie stets mit Spielvorstellungen besetzen, sollte der Aufbau der Landschaft einer Spielidee folgen, die von den Kindern weitergesponnen und durch Anbauten erweitert werden kann. Kästen müssen erstiegen werden wie Berge, über Bänke muss balanciert werden, als ob man einen reißenden Fluss überquerte, unter Tischen wird durchgekrabbelt wie durch ein Tunnel, eine auf Reifen gelegte schwankende Platte dient dazu, einen See zu überqueren. Bewegungsgeräte wie Rollbretter erlauben die Landschaft zu "erfahren". Mit weiterem Material können Höhlen oder Häuser gebaut, Labyrinthe markiert oder Boote dargestellt werden.
Zusätzlich werden Alltagsmaterialien verwendet, die leicht und kostenlos zu beschaffen sind und zu vielfältigen Spielarrangements genutzt werden können: Kartons, Bierdeckel, Papprollen, Folien, Tapeten, alte Zeitungen und dergleichen mehr. Diese alltäglichen Materialien haben den großen Vorteil, dass sie Kindern auch außerhalb der Förderstunden in den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden können und sie darauf auch in ihrem Wohnumfeld stoßen. Sie können dann die gelernten Spiele auch in ihren spontanen Spielen wiederholen und variieren.
Eine Bewegungslandschaft sollte möglichst unterschiedliche Anforderungen an die Beweglichkeit und Geschicklichkeit ihrer Nutzer stellen. Die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade erlauben jedem Kind die Aufgaben anzugehen, die es bewältigen kann. Bewegungslandschaften lassen sich, wenn die Materialien vorhanden sind, rasch auf- und abbauen, können nach Bedarf abgeändert werden, um neue Spielideen zu realisieren.
Sofern ein eigener Bewegungsraum vorhanden ist, kann dort eine sogenannte "Bewegungsbaustelle" eingerichtet werden, die den Kindern ständig zur Verfügung steht.
Damit ist gemeint: Bewegungsraum- oder -gelände mit variablen Bewegungselementen zum Klettern, Balancieren und Springen, die von den Kindern selbständig und aktiv genutzt und gegebenenfalls umfunktioniert werden können, wie Balken, Kisten, Brettern, Matratzen, Reifen, Leitern (z.T. sehr preiswert oder umsonst zu bekommen), – dazu fest installiert: Schaukeln, Rutschen, Klettergerüst, Höhlen, verschiedene Ebenen, unebene Böden, Bäume, Berg- und Talbahnen..., – außerdem diverse Spiel- und Bewegungsmaterialien wie Rollbretter, Seile, Riesenbälle, Schwungtücher, Strickleitern, Kriechtunnel, Roller, Rollschuhe, Pedalo etc. – Von der Grundausstattung (Deckenhaken etc.), Geräten und Materialien her sollte eine wechselnde Nutzung möglich sein, damit die Kinder immer wieder neue Bewegungsspiele kreieren können. Dies wirkt Langeweile und Eintönigkeit entgegen, fördert die Phantasie und schafft die Voraussetzung dafür, dass Kinder je nach Bedarf und Entwicklungsstadium "ihre" individuelle Bewegungsbaustelle schaffen können.
Beachtet werden muss dabei:
Miedzinski, K: Die Bewegungsbaustelle, Dortmund 1983
Vielfältige von Kindern mitentwickelte Bau- und Bewegungsideen für Wohnung, Kindergarten und Schule
Vor allem im Außenbereich können Bewegungsbahnen auch als längerfristiges Spielangebot aufgebaut werden. Sie müssen dann so angelegt sein, dass sie die Nutzung durch die Kinder über längere Zeiträume überstehen. Je nach Stabilität oder möglicher Gefährdung können sie dann immer wieder mit oder ohne Aufsicht von den Kindern frei genutzt werden.
Trotz der längerfristigen Nutzung sollten Bewegungsbahnen auch im Außengelände leicht abzubauen und zu verändern sein. Holzteile, die miteinander verschraubt werden, sind geeigneter als gemauerte Teile. Wo etwa im Außenbereich ein reißender Fluss durchquert werden muss, tut es ein Stück Teichfolie, die im Erdreich eingegraben wird, ebenso gut wie eine gemauerte Wasserstelle.
Wegen des verbreiteten Bewegungsmangels von Kindern ist es sinnvoll, die allgemeine Bewegungserziehung um spezielle Förderangebote zu ergänzen. Sie können entweder von Fachkräften der Einrichtung, die eine einschlägige Vorbildung haben, oder von externen Fachleuten abgehalten werden. Inzwischen werden Förderstunden auch von Turnvereinen angeboten und können unter Umständen genutzt werden.
In Bewegungsstunden werden Anregungen zu Spielideen und Bewegungsformen gegeben, die abgestufte Schwierigkeiten vorsehen, um das Bewegungsrepertoire der Kinder zu erweitern. Die Stunde wird in unterschiedliche Phasen eingeteilt, um einerseits dem Spielbedürfnis freien Lauf zu lassen, andererseits Impulse durch die Erzieherin zu setzen. Die Erzieherin geht zwar mit einem Konzept in die Stunde, soll aber offen bleiben für Änderungen und Vorschläge durch die Kinder.
Anregungen zur Durchführung von Bewegungsstunden, zu Spielideen, zum Materialeinsatz sowie zum Verhalten der Erzieherin finden sich in zahlreichen einschlägigen Veröffentlichungen.
Renate Zimmer: Kreative Bewegungsspiele. Psychomotorische Förderung im Kindergarten, Freiburg 1989
Neben einer allgemeinen Begründung psychomotorischer Förderung zahlreiche die Phantasie anregende Bewegungsspiele
Helmut Köckenberger: Bewegungsspiele mit Alltagsmaterial, Dortmund 1999
Umfassende Auflistung von verwendbaren Alltagsmaterialien und was man damit machen kann.
Wolfgang Beudels/ Rudolf Lensing-Conrady/ Hans Jürgen Beins: Das ist für mich ein Kinderspiel. Handbuch zur psychomotorischen Praxis, Dortmund 1994
Ausführliche Sammlung von Übungen zur Förderung von Grobmotorik, Feinmotorik, Gleichgewicht, Entspannung, Wahrnehmung, Reaktion, Ausdauer und Sozialverhalten
Nils Neuber: Kreative Bewegungserziehung – Bewegungstheater, Aachen 2000
Grundlagen, methodisch-didaktische Begründung und Spielanregungen
Sabine Herm: Psychomotorische Spiele für Kinder in Krippen und Kindergärten, Weinheim 2001 (11.Auflage)
Beispiele für Bewegungs- und Wahrnehmungsspiele
Mit der Bewegung verbunden ist die Anspannung, das gesetzte Ziel auch zu erreichen, den gewagten Sprung zu tun oder alle Kraft zusammenzunehmen, um durchzuhalten. Dazu gehört dann als Ausgleich die Entspannung, in der alle willentlichen Anstrengungen zurückgenommen werden. Die Weise, wie wir herkömmlicherweise Sport betreiben, ist einseitig darauf gerichtet, Leistungen zu erbringen, aber vernachlässigt den notwendigen Ausgleich über die bewusste Entspannung, in der die Kraft und Bereitschaft gesammelt wird, sich wieder anzustrengen.
Tiefe Entspannung wird am besten über meditative Verfahren erreicht, die vor allem darauf abzielen, den "Input" sinnlicher Wahrnehmungen zu reduzieren. Die Sinnestätigkeit wird deswegen entweder ganz oder auf einen engen Ausschnitt zurückgefahren. Darum kann ebenso gut mit geschlossenen Augen und der ganzen Konzentration auf die eigene Innenwelt meditiert werden wie durch die Konzentration, die das stete Blicken auf ein Bild oder einen Gegenstand bewirkt. Oder die ganze Aufmerksamkeit wird auf einen einzigen sich wiederholenden Bewegungsablauf gerichtet.
Mit Kindern müssen diese meditativen Verfahren abgewandelt werden. Bewährt haben sich sogenannte "Phantasiereisen" oder auch "Traumreisen", bei denen die Kinder mit geschlossenen Augen auf dem Boden ruhen und von der Leiterin langsame, ineinander übergehende Vorstellungsbilder vorgesprochen bekommen. Andererseits wird eine tiefe Entspannung auch durch ein auf Kinder zugeschnittenes Yoga erreicht, in dem die bildhaften Elemente betont werden, wie etwa eine Blüte, die sich langsam öffnet und die Kinder über die ausgestreckten Arme darstellen.
Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe Entspannungsmethoden für Kinder, die leicht der Fachliteratur entnommen werden können.
Parahansa Swami Maheshwarananda: Yoga mit Kindern, München 1990
Yoga-Übungen für Kleinkinder, Vorschulkinder und Schulkinder. Für das Vorschulalter werden Übungen vorgeschlagen, die Bilder, Tiere und Pflanzen darstellen
Helmut Köckenberger/ Gudrun Gaiser: Sei doch endlich still! Entspannungsspiele und -geschichten für Kinder, Dortmund 2000
Entspannungsgeschichten, Traumgeschichten, Spiele zur Beruhigung und zur Körpererfahrung, Atemspiele, Massagespiele
Renate Zimmer: Bewegung und Entspannung. Anregungen für die praktische Arbeit mit Kindern, Freiburg 2002
Die Entwicklung psychomotorischer Förderung, die das kindliche Spielbedürfnis und die kindliche Bewegungslust anspricht, stellt gegenüber der herkömmlichen Kindergartenpädagogik einen wichtigen und unverzichtbaren Fortschritt dar. Sie kann die Bewegungsmängel, die sich aus den Lebensbedingungen ergeben, bis zu einem gewissen Grad ausgleichen und eine umfassendere und ganzheitlichere Entwicklung fördern. Sie unterliegt aber auch den Grenzen, mit denen jede pädagogische Maßnahme und Einrichtung rechnen muss. Das heißt in diesem Fall: Sie kann die Erfahrungen und Anregungen nicht vollständig ersetzen, die Kinder in einem natürlichen Bewegungsraum und im Umgang mit einer selbstbestimmten Spielgruppe im freien Gelände erwarten.
Das aus großen Kartons, Matten, Sichtschutzwänden oder dergleichen Material aufgebaute Labyrinth fällt zwangsläufig weniger anregend aus als ein Versteckspiel zwischen Büschen und Erdwällen. Während das Material im geplanten Labyrinth rasch eingeschätzt werden kann (Beispiel: die als Steigung schräg gestellte Bank), verändert sich der Untergrund im offenen Gelände mit jedem Schritt und stellt immer neue Anforderung an die Geschicklichkeit, Anpassungsfähigkeit und das Gleichgewicht. Sinnliche Wahrnehmung und motorisches Verhalten müssen rascher und präziser aufeinander abgestimmt werden. Jede fehlerhafte Einschätzung zeigt auf der Stelle Folgen, die berücksichtigt werden müssen und zu verändertem Verhalten zwingen.
Darum stellt es eine unverzichtbare Ergänzung jeder Bewegungserziehung dar, Bewegung im offenen Gelände zu ermöglichen, z.B. durch Exkursionen in den öffentlichen Raum (Straßen, Parks, Einkaufszentren), oder indem Waldtage angesetzt werden, die im Stil der Waldkindergärten in einem Waldgelände verbracht werden.
Das Kindergartenkind braucht mehrere und verschiedenartige Bewegungsräume, in denen es unter immer veränderten Umweltbedingungen, vielfältige Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen sammeln kann.
Diese Voraussetzungen sind vor allem in der freien Natur gegeben. Hier kann das Kind seinem Laufbedürfnis und seinem Bewegungsdrang ungehindert nachgeben.
Im Überklettern und Überspringen von natürlichen Hindernissen, im Bergauf- und -ablaufen, im Balancieren über Baumstämme, im Barfuss-über-Wiese-und- Waldboden-Laufen, im Spielen mit Blättern, Tannenzapfen, Steinen, Wasser und Schnee etc. macht das Kind grundlegende und die vielfältigsten Erfahrungen. Es lernt räumliche Distanzen einschätzen, seine Bewegungen den Geländegegebenheiten und den Unebenheiten des Bodens anzupassen, übt sein Gleichgewicht und vieles mehr.(...)
Keine Turnhalle und kein Kindergartenraum, und seien sie noch so phantastisch eingerichtet, bieten für die Bewegungsentwicklung des Kindes so vielfältige Möglichkeiten wie die "natürlichen Bewegungsräume" (Bissing 1983, S. 21).
Die für den Elementarbereich empfohlenen Bewegungsangebote und psychomotorischen Übungen haben zum Ziel, Bewegungsmängel auszugleichen, die aus den Lebensbedingungen heutiger Kinder erwachsen und wollen darüber ihr Selbstwertgefühl stärken und allgemein soziale und kognitive Kompetenzen fördern.
Die französischen Psychomotoriker Aucouturier und Lapierre haben unter Einbeziehung psychoanalytischer und psychotherapeutischer Konzepte eine weiter gehende Konzeption entwickelt und für die pädagogische Arbeit umgesetzt. Das Selbstbild, das ein Kind aufgrund seiner körperlichen Fähigkeiten und deren Einschätzung durch seine Umgebung ausbildet, ist dem Kind bewußt zugänglich. Es kann benennen, was es zuwege bringt und woran es scheitert. Dieses bewusste Körperbild wird nach Aucouturier und Lapierre aber überformt von einem unbewussten, "phantasmatischen" Körperbild, einem "imaginären Körper (das heißt die nicht bewusste ´Vorstellung vom eigenen Körper) mit seinen affektiv-emotionalen Aspekten. Dieses Imaginäre, diese Phantasmatik sind die nichtbewussten Bilder vom Körper, die aus den ersten körperlichen Beziehungen hervorgegangen sind" (Esser 2000, S. 33).
Das neugeborene Kind benötigt die Anerkennung und Wertschätzung durch seine Bezugsperson so dríngend wie Pflege und Nahrung. Es begegnet dieser Person aber zunächst auf dem "Niveau tonisch-emotionaler Organisation". "Dem andern zu begegnen heißt auf diesem Niveau, einer taktilen Empfindung (der Haut) zu begegnen. Darüber hinaus kommt das Kind mit der Bewegung des anderen, mit der tonischen Organisation eines anderen Lebewesens in Kontakt. (...) In diesem Alter ist es das einzige Niveau, auf dem eine wirkliche Kommunikation entstehen oder eben nicht entstehen kann" (Lapierre / Aucouturier 1998, S. 56/57).
In diesen frühen Beziehungen können bestimmte Bereiche des kindlichen Körpers durch die Betreuungsperson aus der Wertschätzung ausgeklammert und deshalb von der Wahrnehmung des Kindes ausgeschlossen werden. "Die annullierten (das heißt für nichtig erklärten) Zonen sind verbunden mit einem beziehungsmäßigen Mangel in der Interaktion zwischen Mutter und Kind. Es sind Zonen, mit denen sich ein hohes Maß an Spannungen und Schmerzen, ein hohes Maß an Unlust verbunden ist. (...) Die Spannungen und die dazu gehörigen Emotionen, die als zu schmerzhaft erlebt wurden, werden in der Folge verdrängt" (Esser 2000,.S. 33).
In den "phantasmatischen" Körper sind also körperliche Einschränkungen und Zurückweisungen aus frühester Kindheit eingeschrieben. Und es sind diese Einschränkungen, die später das Kind daran hindern, seine Bewegungslust vollständig auszuleben: Die belasteten Bereiche bleiben ausgeklammert.
Das bedeutet aber, dass es nicht ausschließlich die fehlenden Bewegungsanreize sind, die kindliche Bewegungslust hemmen, sondern eben auch und vielleicht in erster Linie, die unbewussten inneren Blockaden. In der Konsequenz sucht die psychomotorische Pädagogik dieser Richtung, über die Bewegung mit dem Kind in Kontakt zu treten und die ausgeblendeten Bereiche zugänglich zu machen. Indem die verdrängten Zonen in Bewegung und Spiel aktualisiert werden, sollen die davon blockierten Fähigkeiten freigesetzt und die offene Entwicklung gesichert werden.
Diesem Ansatz entsprechend ist diese psychomotorische Richtung auf eine gruppen- oder einzeltherapeuthische Behandlung ausgerichtet.
Psychomotorik-Stunden werden inhaltlich nicht im voraus festgelegt und systematisch durchgeplant, sondern es wird ein Raum eingerichtet, der dem Kind ein bestimmtes Angebot zur Verfügung stellt: den sensomotorischen Bereich, den symbolischen Bereich und den Konstruktionsbereich. In der Regel wird mit einem solchen Aufbau in Turnhallen gearbeitet. (...)
Die Beobachtung der Entwicklungsdynamik des Kindes hat ergeben, dass man vier Phasen im Ablauf einer Psychomotorik-Stunde unterscheidet, die sich regelmäßig wiederholen.
In der ersten Phase der Stunde kann das Kind seine Spannungen abreagieren und seine motorische Impulsivität ausleben. Provokativ steht zu Beginn jeder Stunde zu diesem Zweck eine hohe Mauer, ein großer Turm oder ähnliches aus den Schaumstoffblöcken bereit. Das Kind kann zerstören, wiederaufbauen und wieder zerstören. Es zerstört dabei eine bestimmte vorgegebene Struktur und verliert zudem über dem körperlichen Einsatz auch die eigene Körperstruktur, die eigenen Körpergrenzen, wenn es sich beispielsweise beim Umfallen mit in die Schaumstoffblöcke fallen läßt. (...)
Erschöpft sich diese Aktivität, kann das Kind in der zweiten Phase die Struktur seines Körpers über die Aktivität im sensomotorischen Bereich wiedergewinnen. Lustvolles Bewegungs- und Wahrnehmungs-Erleben verbindet körperliche Empfindungen und tonisch-emotionale Zustände. Nachdem das Kind seine Spannungen zunächst hat abreagieren können, kann es nun viel bewusster und aufmerksamer seine Körperstruktur rekonstruieren.
Die Bilder, die im sensomotorischen Bereich auftauchen, können sich im symbolischen Spiel konkretisieren, der dritten Phase einer Psychomotorik-Stunde. Das Kind durchlebt Situationen, die in direkter Verbindung zu seiner affektiven Geschichte stehen. Es kann mit seinem tonisch-emotionalen Ausdruck spielen.
Schließlich die vierte Phase: Im konstruktiven Bereich gewinnt das Kind Abstand von den intensiven Emotionen der gelebten und erlebten Geschichten, es sammelt sich und bereitet sich auf die Realität des Alltags vor. Das Erlebte wird noch einmal aufgegriffen, verbalisiert und gedeutet. Durch den vorherigen tonisch-emotionalen Ausdruck ist das Kind jetzt eher bereit und fähig, mit der Psychomotorik-Therapeutin auf einer abstrakteren Ebene zu kommunizieren und offen und aufmerksam für das Gespräch zu sein (Esser 2000. S. 42-45).