Gebildete Kindheit

Handbuch der Bildungsarbeit im Elementarbereich

Teil 3: Die Bildungsbereiche

 

3.8 Bildungsbereich Natur, Umwelt und Technik

Naturerleben und technisch-naturwissenschaftliche Naturbeherrschung werden seit den Tagen der Romantik als unversöhnliche Gegenpole gesehen. Hier das gefühlvolle Eintauchen in die Schönheiten der Natur, dort die berechnende Nutzung von Ressourcen und Naturgesetzen. In der Auffassung von Kindern bestehen diese harten Gegensätze noch nicht, und gerade die Entwicklung einer ökologisch angemessenen Technik zeigt, dass dieser historische Gegensatz nicht zwangsläufig ist.

3.8.1 Die Einheit von Naturerleben, Naturwissenschaft und Technik

Kinder sind in den Jahren, in denen sie die Einrichtungen des Elementarbereichs besuchen, von allen Erscheinungen fasziniert, die sie in der Natur beobachten. Sie lieben es, sich im freien Gelände zu bewegen, auf Bäume zu klettern, über Gräben zu springen. Sie wühlen mit Ausdauer in der Erde, buddeln Höhlen, bauen Dämme an Bächen oder machen sich an Wasserpfützen und Tümpeln zu schaffen. Sie spielen mit Wurzeln und Rindenstücken, sammeln auffällige Steine, Kastanien oder Tannenzapfen. Sie beobachten, wie aus einem Samen Pflanzen keimen, entdecken Vogelnester und zeigen ein intensives Interesse an Tieren.

Der kindliche "Animismus"

Aus dem Umgang mit der Natur entstehen Fragen: Warum ist das Feuer rot? Warum kann Eisen nicht verbrennen? Warum fällt der Mond nicht vom Himmel? Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?

Im allgemeinen spricht man Kindern ein animistisches Bewusstsein zu. Sie würden alle Naturerscheinungen in Analogie zu sich selbst als belebt betrachten: Der Wind wird dann zu einem Wesen, das einem absichtlich ins Gesicht bläst, das Stuhlbein, über das man gestolpert ist, wird geschlagen, weil es einen hat stolpern lassen. Dem stehen die "objektiven" Naturgesetze gegenüber, deren Wirkungen sich unabhängig von persönlichem Wollen oder Empfinden vollziehen. Wir haben gelernt, diese abstrakten Gesetzmäßigkeiten für die eigentliche und tatsächliche "Wirklichkeit" zu halten. Naturwissenschaftliche Gesetze geben aber nicht die Wirklichkeit wieder, sondern liefern Beschreibungen, die uns erlauben, auf die Natur einzuwirken und sie zu bearbeiten. Wir übersehen dabei auch, dass wir in anderen Bereichen die Natur ebenso "animistisch" betrachten wie Kinder: Auch wenn wir überzeugend erklären können, dass sich die Erde um die Sonne dreht, geht sie für unsere Wahrnehmung doch tagtäglich auf und unter wie der Sonnenwagen in der griechischen Mythologie. Und bei der Betrachtung der auf- und abwogenden Meereswellen denken wir nicht an die Anziehungskräfte des Mondes, die die Gezeiten beeinflussen, sondern überlassen uns den Gefühlen, die das Naturschauspiel in uns auslöst.

Kinder erleben Natur ästhetisch, d.h. mit allen Sinnen. Sie beobachten fasziniert und überrascht, was sich um sie herum bewegt. Dass sie dabei von ihren Wahrnehmungen ausgehen und ihre eigenen Körpererfahrungen übertragen, erlaubt gerade ein erstes und sehr folgenreiches Verstehen. Der über die Böschung hinab kullernde Stein erzeugt eine Vorstellung von Schwerkraft, weil man sich auch selbst die Böschung hinunter rollen lassen kann. Den Vogel, der einen Regenwurm verschlingt, treibt der Hunger, den man auch selbst im Magen spüren kann. Das Denken in Analogien ist eine erste und weit reichende Form des Denkens, auf dem abstrahierendes und analysierendes Denken aufbauen kann und aufbauen muss.

Kinder trennen nicht nach Natur und Technik

Mit dem gleichen neugierigen und offenen Blick, mit dem sie beobachten, wie sich der Teig an den Stockbroten über dem Feuer bräunlich färbt, fragen sich Kinder auch, woher der Toaster weiß, wann er die Toastschnitte ausspucken muss. Sie kennen keinen Gegensatz von Natur und Technik, es sei denn, er würde schon in jungen Jahren eingeimpft im Sinne eines falsch verstandenen Umweltschutzes, für den Natur gut und alles Technische von Übel ist. Auch hier erweist sich der naive Blick des Kindes als brauchbarer: Was sich die Technik zunutze macht, sind schließlich die gleichen Gesetzmäßigkeiten, die auch die Natur regieren. Und diese Gesetzmäßigkeiten haben alle menschlichen Kulturen genutzt, um ihr Leben zu erleichtern und zu verbessern.

Es ist keine Frage, dass aus der modernen Technik Probleme erwachsen. Sie resultieren daraus, dass technische Verfahren angewandt werden, ohne die Rückwirkung auf das Gewebe der Natur ausreichend zu berücksichtigen, die damit langfristig die Natur und das menschliche Leben zu schädigen drohen. Auch für ökologische Probleme öffnet sich das mitfühlende animistische Denken. Wenn Tiere und Pflanzen, ja die gesamte Natur als Freunde und Mitwesen des Menschen betrachtet werden, können sie als Geschöpfe beachtet und schonend mit ihnen umgegangen werden.

Die Gegenüberstellung von Natur und Technik geht in der Geschichte der deutschen Kindergartenerziehung auf die "Bewahrpädagogik" zurück. Die Begegnung mit der Natur wurde als das notwendige Gegengewicht zu den verderblichen Einflüssen der "Zivilisation" gesehen. Sie sollte die schöpferischen Kräfte freisetzen, die von der technischen Beherrschung der Natur behindert würden. Diesem Ziel diente die Beschäftigung mit der Natur im Kreislauf der Jahreszeiten, die bis vor wenigen Jahrzehnten zum Handwerkszeug der deutschen Erzieherin gehörte.

Naturwissenschaftliche Grundbildung nach 1968

Mit der massiven Kritik an der überkommenen Kindergartenpädagogik nach 1968 wurde neben der Forderung, Kindern Einblick in die Gesellschaft zu geben, auch bereits eine naturwissenschaftliche Frühbildung gefordert, die den Kindern Grundlagen ihrer beruflichen Qualifikation vermitteln sollte.

Die Frage war, wie das zu geschehen hatte. Auf der einen Seite wurden didaktische Programme und Materialien entwickelt, deren Hersteller auf spielerische Weise Grundlagen naturwissenschaftlichen Denkens zu vermitteln versprachen. Sehr verbreitet waren Spielsätze, mit denen Mengen- und Größenverhältnisse wahrgenommen und die Mengenlehre der Schule vorbereitet werden sollte. Diese Materialien hatten aber kaum die versprochene Wirkung. Die Kinder verloren rasch das Interesse daran und die aufwendigen Materialkästen verstaubten früher oder später in den Regalen.

Zugleich erschienen aber bereits eine ganze Reihe Publikationen, die physikalische und chemische Experimente beschrieben, die man mit Kindern durchführen konnte und die den Kindern gestatteten, naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten in anschaulicher Erfahrung nachzuvollziehen. Sie konnten sich jedoch in den Einrichtungen nicht durchsetzen. Einerseits stand die soziale Erziehung und die Einbeziehung der Kinder in die Gesellschaft, wie sie der Situationsansatz vorsah, im Vordergrund. Andererseits fühlten sich die Erzieherinnen, anders als bei der sozialen Bildung, dafür kaum zuständig. In ihrer Ausbildung spielten diese Themen keine Rolle und sie fügten sich auch kaum in das tradierte Berufsbild einer Erzieherin.

Die Publikationen zur naturwissenschaftlichen Frühbildung aus diesen Jahren bieten noch immer eine reiche Fundgrube für naturwissenschaftlich ausgerichtete Aktivitäten und Experimente.

Graeb, Gerhard: Wissen schafft Freude, München 1973

Reichhaltige Sammlung von physikalischen Experimenten zu Wasser, Luft, Wärme, Schall, Licht, Elektrizität, Magnetismus, Schwerkraft und Hebelwirkung

Holzhey, Christiane/ Lüscher, Edgar: Kinder entdecken Physik, München 1977

Experimente zu festen Stoffen, Wasser, Wetter, Luft und anderen physikalischen Erscheinungen.

Naturwissenschaftliche Frühbildung nach PISA

Erst seit PISA wurde dann plötzlich eine naturwissenschaftliche Frühbildung von allen Seiten gefordert. Es ist offensichtlich, dass die Pädagogik des Elementarbereichs auf diesem Gebiet einen großen Nachholbedarf hat, der jedoch in der Alltagsarbeit der Einrichtungen auf beträchtliche Schwierigkeiten stößt. Nicht nur, dass die Fachkräfte nicht die notwendige Vorbildung haben, den Einrichtungen fehlt es auch an einer geeigneten Ausstattung mit Material und Gerätschaften. Vor allem aber fehlen brauchbare pädagogische Modelle. Sieht man sich an, was in neueren Publikationen und in Bildungsplänen empfohlen wird, so geht das noch kaum über die schon in den 70er Jahren vorgeschlagenen Konzepte hinaus.

Das Hauptproblem liegt darin, dass hier wie dort vereinzelte Experimente, die durchaus auf dem Niveau kindlichen Verständnisses angesiedelt sind, aneinander gereiht werden. Es fehlt der konkrete Handlungsbezug, in den sich diese Experimente eingliedern lassen und darüber als brauchbar und sinnvoll erfahren werden. Sie erfüllen deshalb bislang kaum die zentrale Forderung an jede Elementarpädagogik, Bildungsangebote und Lerninhalte in konkreten einsehbaren Handlungskontexten zu entwickeln.

Ökologisches Naturverständnis

Anders ist die Situation im Bereich von Umweltschutz und Ökologie. Hier wurden anwendbare Konzepte ausgearbeitet und ein an ökologischen Kriterien ausgerichtetes Naturverständnis hat die überkommene zivilisationskritische Behandlung der Natur abgelöst. In diesem Rahmen sind Kinderfarmen entstanden, haben sich die Waldkindergärten verbreitet und bekamen Naturausflüge einen neuen Stellenwert in den Einrichtungen.

Alle diese Aktivitäten bieten nicht nur einen neuen Zugang zu Natur und der Verankerung des Menschen in natürlichen Kreisläufen. Sie stellen auch eine wertvolle Voraussetzung für jede naturwissenschaftliche Frühbildung dar. Denn ein naturwissenschaftlich ausgerichtetes Naturverständnis kann sich nur auf der Grundlage von Naturerfahrung und Naturerleben herausbilden.

3.8.2 Naturerleben und Naturerfahrung

Der Umgang mit der Natur bietet Kindern vielfältige Anregungen und grundlegende Erfahrungen. Sie langweilen sich so gut wie nie, wenn sie mit andern Kindern die Natur durchstreifen, dort verweilen können, wo sie etwas entdecken und dabei ihr Zeitmaß selbst bestimmen dürfen. Erst wenn sie sich den Absichten der Erwachsenen unterordnen müssen, wie das häufig auf Familienausflügen der Fall ist, kommt Langeweile und Unlust auf.

Faszination in der Natur

Die Faszination, die der Aufenthalt in der Natur auf Kinder ausübt, hat gute Gründe:

  • Natürliches Gelände hält eine Mischung von bekannten und überraschenden Eindrücken bereit. Jedes Kind wird darin vertraute Wahrnehmungen wiederfinden, die ihm die Orientierung erleichtern. Zugleich verändert sich Natur ständig mit dem Wetter, mit den Tageszeiten und den Jahreszeiten, und fordert zu immer neuen Wahrnehmungen heraus. Auch ist eine natürliche Umgebung so vielfältig, dass sie immer noch Neues bereit hält, das bislang nicht bemerkt worden ist.
  • Natürliches Gelände fordert die kindliche Bewegungslust heraus. Anders als die Matte in der Turnhalle besteht ein Stück Wiese aus Unebenheiten, an die man sich anpassen, enthält nasse Stellen, die man umgehen oder überspringen muss. Mit jedem Schritt wird ein neues Problem gestellt, das möglichst geschickt zu lösen ist. Je nach seiner Formation fordert das Gelände mal zum Springen, zum Rennen, zum Klettern oder einfach dazu heraus, sich auf einem Fleck auf den Boden zu werfen und stille zu halten. Abhänge bieten sich an, um in Purzelbäumen hinunterzurollen oder auf dem Hosenboden abwärts zu rutschen.
  • Natürliches Gelände steckt voller Spielideen. Was im Gelände zu finden ist, kann für Spiele genutzt werden: Aus Kieselsteinen werden Münzen, ein überhängender Strauch kann als Höhle dienen. Am aufgestauten Bach kann man ein Wasserrad installieren, Rindenstücke werden zu Booten zurechtgeschnitzt und man lässt sie um die Wette fahren.
  • Der Aufenthalt in der Natur konfrontiert mit Geheimnissen und erzeugt Fragen. Man stößt auf Spuren, denen nachgegangen werden kann, Fußabdrücke im weichen Gelände oder im Schnee, den Fressgängen von Insekten unter der Rinde, den Ausscheidungen frei lebender Tiere. Rufe sind zu hören, die erschrecken können oder anziehend klingen, und die man erst entziffern muss. Die Fragen und die Vermutungen, mit denen sie Kinder zunächst zu beantworten versuchen, feuern die Neugier an und geben Anstoß zu ersten naturwissenschaftlichen Vorstellungen und Kenntnissen.

Spielen mit den Elementen

Im Bereich der unbelebten Natur sind es die Elemente, die Kinder anziehen, insbesondere Wasser und Feuer.

Wasser ist das Element, das Menschen am meisten beeindruckt. Nicht zufällig bevölkern Urlauber vorzugsweise die Strände von Meeren und Seen. Im Hintergrund wirkt hier sicherlich die unbewusste Erinnerung nach: Vor der Geburt lebten wir alle im wässrigen Milieus des Fruchtwassers. Kinder stehen dem lebensgeschichtlich noch näher und auch das mag ihre grenzenlose Ausdauer beim Umgang mit dem Wasser erklären.

Darüber hinaus aber ist es sicher auch die Lebendigkeit, die schier unbegrenzte Verwendbarkeit und Anpassungsfähigkeit von Wasser, die diese Spiele attraktiv macht. Wasser kann stehen, fließen, sprudeln, spritzen, herabstürzen und vom Himmel fallen. Im Spiel kann man es eintrüben, säubern, aufstauen, in Mäandern fließen, sich in einer Pfütze erwärmen lassen und noch unendlich viel mehr damit anstellen. Man kann es sogar zum Löschen von Feuer benutzen.

Feuer hat eine ähnlich tiefe Bedeutung: Es gibt Wärme, wirkt in seinem sich ständig veränderndem Flackern lebendig, man kann damit kochen und backen. Zugleich hat es eine zerstörerische Seite, die Angst macht. Aufgrund der Lebensverhältnisse haben die meisten Kinder keinen Zugang mehr zu offenem Feuer. Gekocht wird auf dem Elektroherd, der Heizkessel steht im Keller und es ist kaum erkennbar, dass in ihm ein Feuer brennt, das die Wärme für die Heizkörper liefert. Um so größer ist die Lust der Kinder, Feuer zu machen und mit Feuer zu spielen. Darin werden sie aber oft genug von überängstlichen Erwachsenen gehindert, und es steigen die Chancen, dass sie es heimlich machen und dadurch tatsächlich Gefahren herauf beschwören.

Feuer gibt neben Wärme auch Licht. In der Wohnung kommt es von den Glühlampen, aber auf den Kerzen brennt ein kleines Feuer, das bei jedem Lichtzug flackert wie ein großes Feuer im Freien. Die Sonne ist eine Feuerkugel, sie blendet und schmerzt die Augen, wenn man sie ansieht. Licht erzeugt Schatten, und die Schatten spielen mit dem Licht und verändern sich ständig. Wenn man sich gegen das Licht stellt, kann man den eigenen Schatten zum Tanzen bringen und die seltsamsten Figuren erzeugen.

Aber auch Erde oder Luft ziehen Kinder an. Die Luft wird vor allem über die sich ändernden Wetterbedingungen erfahren, über Wind, Sturm oder auch die Stille ohne jede Luftbewegung. Den Wind kann man mit Rohren oder Windspielzeug zum Heulen bringen. Und er treibt den Drachen über den Himmel, solange man ihn geschickt zu steuern versteht.

Die Erde ist voller Geheimnisse: Sie enthält seltsame Lebewesen, auf die man beim Aufgraben stößt, sie kann ganz unterschiedliche Formen annehmen, von der Gartenkrume über den Lehm bis zu den Steinen im Untergrund, die am Weitergraben hindern. Sie riecht jeweils anders und fühlt sich anders an. Man kann in ihr graben, sie liefert das Material zum Bauen oder lädt einfach zum Matschen und Buddeln ein.

Gisela Walter: Wasser. Die Elemente im Kindergartenalltag, Freiburg 2000

Gisela Walter: Luft. Die Elemente im Kindergartenalltag, Freiburg 2001

Gisela Walter: Erde. Die Elemente im Kindergartenalltag, Freiburg 2002

Gisela Walter: Feuer. Die Elemente im Kindergartenalltag, Freiburg 2002

Serie zur Arbeit mit den Elementen über Tätigkeit, Spiel, Liedern etc.

Gottfried Heinzelmann: Wasserzauber. Experimente und Spiele rund um das Wasser, Weinheim 1999

Experimente, Spiele, Projekte rund ums Thema Wasser und seine ökologische Bedeutung

Gabriele Wensky/ Sandra Hänsch: Unser Wetter, Freiburg 2003

Informationen zu Klima und Wetter sowie Projektvorschläge zum forschenden Entdecken, Gestalten, Spielen mit dem Thema

Pflanzen, und besonders Bäume

Pflanzen können sich nicht bewegen, aber sie wachsen wie man selbst ständig weiterwächst. Aus dem unscheinbaren Saatkorn entsteht eine vollständige Pflanze, die Blüten und Früchte treibt, die man verzehren kann oder die bunt und beeindruckend sind. Aus einem Körnchen kann sogar ein riesiger Baum werden, in dessen Schatten man sich geborgen fühlt, der erklettert werden muss oder von dem Pflaumen oder Äpfel geerntet werden können.

Wiederum haben wir nicht zufällig zu Bäumen eine tief verankerte Beziehung. Sie scheinen Bilder in uns anzusprechen, die aus unserer frühesten Lebenszeit stammen. In Ultraschallbildern ist immer wieder zu sehen, dass Kinder im Mutterleib die Nabelschnur mit den Händen umfassen und über ihnen wölbt sich die Plazenta wie das Geäst eines schützenden Baumes. Nicht umsonst zieht die Landschaft, die nur aus Bäumen besteht, der Wald, die meisten Menschen unwiderstehlich an, und das Fällen von Bäumen oder die Zerstörung von Wäldern trifft immer wieder auch auf durchaus irrationalen Widerstand. In den Märchen ist der Wald zugleich eine Chiffre für das Unbewusste, voller Gefahren aber auch voller Verheißungen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es der Wald ist, der Kinder mehr anzieht als jede andere Landschaft, dass er aber auch mit einer Portion Angst verbunden ist.

Deine Freunde, Die Tiere

Im Umgang mit Tieren wird die eigene Lebendigkeit noch auf andere Weise erfahren. Tiere können sich bewegen, sich ihre Nahrung suchen und Gefahren aus dem Weg gehen. Sie verfügen über Fähigkeiten der Wahrnehmung und der Bewegung, die unsere menschlichen Fähigkeiten übersteigen. Gerade weil sie flinker und in ihren Reaktionen überraschender sind, regen sie die eigene Geschicklichkeit an. Sie werden mit den eigenen Möglichkeiten verglichen und zeigen dabei einen ganz speziellen "Charakter": Sie sind träge oder blitzschnell, harmlos oder gefährlich, zeigen sich misstrauisch oder zutraulich.

Im Umgang mit Haustieren kommt noch dazu, dass sie Pflege brauchen ähnlich wie das menschliche Kind die Versorgung durch die erwachsenen Bezugspersonen. Das Kind kann ihnen gegenüber die Rolle des Versorgers annehmen, und ist dabei anders als bei der Puppe, mit den Bedürfnissen und Emotionen eines Lebewesens konfrontiert, muss sie berücksichtigen und auf sie einzugehen lernen. Denn Tiere können sich wehren, sie können beißen und kratzen, treten oder stechen.

Naturgemäße Gestaltung des Außenbereichs

Selbst wo es großzügig bemessen ist, kann der Außenbereich einer Einrichtung nur einen winzigen Ausschnitt an Natur bieten. Dennoch kann er Raum für wichtige Erfahrungen bieten.

Bei seiner Gestaltung bzw Umgestaltung sollte auf folgende Gesichtspunkte geachtet werden:

  • Indem das Gelände möglichst vielgestaltig angelegt wird, kann es Raum für unterschiedliche Landschaftselemente vorsehen. Anregend sind kleine Hügel, ein Graben, über den ein Steg führt, ein Stück Böschung, möglichst auch einen tunnelartigen Durchgang, und natürlich Büsche und Bäume, die Gelegenheit zum Klettern, zum Verstecken und zum Rückzug bieten. Je vielgestaltiger und kleinräumiger das Gelände ausfällt, desto mehr wird es einladen, sich darin zu bewegen. Daneben sollte ein Stück offene und ebene Fläche übrig bleiben, die zu großen Bewegungen einlädt.
  • Möglichst ist auch eine Wasserstelle vorzusehen. Um den Wasserverbrauch zu reduzieren, kann das Wasser von den Dachflächen aufgefangen und zu einem Tümpel oder Graben geleitet werden, die mit einer Folie abgedichtet werden. Wenn es der Grundwasserstand erlaubt, kann eine Handpumpe aufgestellt werden, die die Kinder selbst betätigen.
  • Auch wenn der Umgang mit Feuer durch die Fachkräfte kontrolliert werden muss, sollte eine Feuerstelle nicht fehlen. Wo offenes Feuer aufgrund von Vorschriften untersagt ist, kann man mit den Kindern aus Ziegelsteinen und Lehm einen kleinen Ofen mit Rauchabzug bauen, in dem gefahrlos Feuer gemacht werden kann.
  • Das Wachsen von Pflanzen kann schon auf der Fensterbank im Innenbereich beobachtet werden. Insbesondere rasch wachsende Nutzpflanzen wie Radieschen lassen sich in einem Gartenbeet ziehen, das von interessierten Kindern gepflegt wird. Es muss dann aber auch davor geschützt werden, dass es aus Mutwillen oder im Eifer des Spiels beschädigt wird.
  • Vielleicht findet sich auch noch Platz für das Halten kleiner Haustiere wie Kaninchen oder auch Zwergziegen. Da sie auch in den Zeiten zu versorgen sind, in denen die Einrichtung geschlossen ist, kann ihre Haltung daran scheitern. Aber unter Umständen lassen sich Eltern oder Nachbarn dafür begeistern. In einem Umfeld, wo Kinder hauptsächlich in Hochhauswohnungen leben und selbst kaum Haustiere haben können, sollte versucht werden, Tiere in den Einrichtungen zu halten.

Zahlreiche weitere Anregungen zur Gestaltung von Naturspielräumen können aus einschlägigen Veröffentlichungen entnommen werden.

Richard Wagner: Naturspielräume gestalten und erleben, Münster 1995

Bau und Gestaltung von Spielhäusern, Spielanlagen mit Weidenzweigen, Gartengelände sowie Hinweise für ihre Durchsetzung.

Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW: Natur rund um den Kindergarten, 2000

Broschüre zur Umgestaltung zum Naturkindergarten. Planung, Bau und Nutzung naturnaher Außengelände. Zu beziehen über www.nua.nrw.de

Natur in der Stadtlandschaft

So sinnreich und vielfältig es auch gestaltet sein mag, das Außengelände bleibt ein künstlich angelegtes Biotop. Daneben und darüber hinaus müssen Kinder Gelegenheit bekommen, mit verschiedenen Landschafträumen bekannt zu werden und sie für sich zu entdecken.

Dazu gehören durchaus auch die Bereiche innerhalb der Stadtlandschaft, in denen Natur zu beobachten und zu erfahren ist.

Größere Städte verfügen über Parkanlagen, die als Erholungsräume zwischen den bebauten Flächen angelegt sind und zu Bewegungs- und Geländespielen genutzt werden können. Da sie weniger intensiv bewirtschaftet werden als landwirtschaftlich genutzte Flächen, dienen sie auch zunehmend Wildtieren als Rückzugsraum. Zu den Zeiten, in denen die Kinder in Einrichtungen betreut werden, werden Parks wenig besucht, so dass Störungen des Ruhebedürfnisses von Spaziergängern nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Zoologische Gärten halten vorwiegend exotische Tiere und halten sie häufig unter fragwürdigen Bedingungen. Da es zugleich die Tiere sind, die Kinder als Kuscheltiere aus Stoff benutzen wie Bären oder Löwen und die sie aus zahllosen Bilderbüchern kennen, macht es Sinn, diese Tiere leibhaftig zu erleben und zu bemerken, dass sie durchaus auch bedrohlich und gefährlich sind. Man sollte dabei jedoch nicht von Käfig zu Käfig hetzen, sondern lieber länger verweilen, wo Kinder Interesse zeigen, und vor allem aufhören, wenn sie es ihnen zu viel wird.

Inzwischen gibt es in vielen Städten auch Kinderfarmen und ähnliche Einrichtungen, wo die heimischen Tiere nicht nur beäugt werden können, sondern Kinder sie anfassen und sich an ihrer Pflege beteiligen können. Dabei entsteht ein emotionaler Kontakt zu den Tieren, auf den die Tiere meist sichtlich positiv reagieren. Kinder können dabei die Tiere ganz anders als Lebewesen erfahren und sie zu ihrem eigenen Leben in Beziehung setzen, als das in Zoos möglich ist.

Wichtige Erfahrungen sind bei Besuchen auf einem Bauernhof zu machen, wo zusätzlich die Herstellung unserer Nahrung zu beobachten ist. Biologisch wirtschaftende Höfe sind dabei vorzuziehen, weil sie meist auch ihr Futter selbst herstellen und die natürlichen Kreisläufe besser nachzuvollziehen sind.

Waldkindergärten, Waldtage. Waldwochen

Wälder sind zwar letzten Endes auch angepflanzt und dienen der wirtschaftlichen Nutzung. Dort wachsen aber Bäume über Jahre hinweg ohne große Eingriffe, und Wälder stellen deshalb eine vergleichsweise naturbelassene Landschaft dar.

Der Wald bietet auch schier unbegrenzte Anregungen zum Bewegen, Toben und Spielen. So sehr, dass sich die Waldkindergärten sogar ganzjährig auf den Wald als Erfahrungsraum und Spielgelände beschränken können. Diese Einrichtungen zeigen, dass der Aufenthalt in der Natur, und zwar auch in der Natur unserer zivilisierten Landschaft, ungeahnte Bewegungsmöglichkeiten, zahlreiche Spielanregungen und kaum zu überschätzende Lerngelegenheiten bereit hält.

Ausgehend von Dänemark, wo der erste Waldkindergarten schon vor 50 Jahren gegründet wurde, hat sich diese sehr spezielle Form der Tagesbetreuung in den letzten Jahren über ganz Deutschland verbreitet. Es handelt sich dabei so gut wie ausschließlich um privat organisierte Einrichtungen, die jeweils nur eine kleine Gruppe betreuen.

Die Einrichtungen sind meist in einem festgelegten Waldgelände angesiedelt, wo sie über einen Unterstand, eine Hütte oder einen Bauwagen verfügen, in den sie bei Unwettern Schutz suchen können, wo zugleich wichtiges Material aufbewahrt und bei Regen gefrühstückt werden kann. Ansonsten bewegen sich die Kinder bei jedem Wetter und jeder Temperatur im Wald. Sie tragen entsprechend wetterfeste Kleidung und müssen bestimmte Regeln strikt einhalten, die sichern, dass sie sich nicht verlieren oder verletzen.

Regeln für den Aufenthalt im Wald

Erfahrungsgemäß bereitet die Einhaltung der wenigen Regeln (....) keinerlei Schwierigkeiten, da alle Kinder ihre Notwendigkeit verstehen und anerkennen. Die wichtigsten dieser Regeln sind:

  • Sich nur auf Ruf-Weite von der Gruppe entfernen.
  • Keine Allein-Gänge im Wald unternehmen.
  • Unbedingtes Warten an vereinbarten Haltepunkten, bis die Gruppe vollzählig ist.
  • Abfälle werden nicht weggeworfen, sondern wieder eingepackt.
  • Pflanzen oder Tiere dürfen nicht mutwillig oder achtlos beschädigt werden.
  • Beeren, Pilze etc. werden nicht gegessen (Appelt 2000, S. 118/9).

Die Praxis dieser Einrichtungen hat gezeigt, dass Kinder sich dabei gesund entwickeln, dass ihre Beweglichkeit ausgebildet wird, dass sie durch die anregende Umgebung abwechslungsreiche Spiele erfinden und über das Beobachten und die Unterstützung der Fachkräfte auch kognitiv gefördert werden. Was dabei weitgehend ausgeblendet bleibt, sind die sozialen und gesellschaftlichen Erfahrungsräume, in denen die Kinder mit ihren Eltern wohnen. Das mag für selbstorganisierte Einrichtungen kein wesentliches Problem sein, da nur engagierte Eltern die Mehrkosten und Mehrarbeit auf sich nehmen, die solche Initiativen erfordern. Es kann davon ausgegangen werden, dass deren Kinder auch zu Hause überdurchschnittlich gefördert werden.

Für Regeleinrichtungen, die den Kindern immer mehr die Erfahrungen zu bieten haben, die sie in den Elternhäusern nicht mehr machen können, stellen einzelne "Naturtage" oder "Waldtage" oder auch einmal jährlich "Waldwochen" eine sehr sinnvolle Ergänzung ihres Angebots dar.

Der wöchentliche Naturtag

Interessant und positiv ist vor allem die Entwicklung der Kinder zu größerer Selbständigkeit und die Entfaltung von Fähigkeiten:

  • Die Kinder brauchen im Freien keine Anleitung zum Spielen. Sie lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Kiesberge werden zu Eisbergen, Stöcke zu Pferden, Steine zu Käfern, Sandhügel zu Rutschen und aus Stecken werden Fallen gebaut.
  • Die Kinder gebrauchen Naturmaterialien unbefangen zum Spielen.
  • Sie zeigen mehr Ausdauer und bleiben wesentlich länger bei einem Spiel als im Gruppenraum, weil sie nicht so schnell abgelenkt werden durch die Lautstärke oder andere Angebote (keine Reizüberflutung!).
  • Im Freien bilden sich auch größere Gruppen, was im Kindergarten durch die räumliche Situation oftmals nicht möglich ist.
  • Die Kinder bekommen mehr Möglichkeiten ihre eigenen Fähigkeiten einzuschätzen und weiterzuentwickeln, z.B. durch Klettern, Bewegen auf dem Eis und Rollen vom Hügel.
  • Jedes Kind genießt den Tag auf seine Art (Hobelsberger/Wagatha 2000, S. 110/11).

Bei solchen Ausflügen in Wald und Natur empfiehlt es sich, immer wieder dasselbe Gelände oder bekannte Gebiete im Wechsel aufzusuchen. Die Kinder können sich dann orientieren, auf Spiele und Aktivitäten zurückkommen, sie abwandeln und ausbauen. Zugleich erfahren sie dieselbe Landschaft zu verschiedenen Jahreszeiten und unter veränderten Bedingungen.

Kathrin Saudhoff/ Birgitta Stumpf: Mit Kindern in den Wald. Wald-Erlebnis-Handbuch – Planung, Organisation und Gestaltung, Münster 1998

Waldtage, Waldwochen, Projekte im Wald und alles, was dafür bedacht und vorbereitet werden muß

Regina Michael-Hagedorn/ Katharina Freiesleben: Kinder unterm Blätterdach. Walderlebnisse planen und gestalten, Dortmund 1999

Hinweise zur Planung und Durchführung von Waldtagen, Sammlung von Spiel- und Bastelideen, Liedern und Aktivitäten

Hans-Georg Schede: Der Waldkindergarten auf einen Blick, Freibrug 2000

Zu Geschichte und Konzept sowie der pädagogischen Arbeit im Waldkindergarten

Weiterbildung "Kindergarten im Wald"

Das Kind und die pädagogische Arbeit im Wald, Geländekunde und Alltagspraxis. Organisations- und Gründungsfragen. Informationen bei der

Naturschule Freiburg e.V., Rempartstr. 9, 79098 Freiburg.

Internet: www.naturschule-freiburg.de

3.8.3 Natur- und Umweltschutz

Die Natur arbeitet in Kreisläufen. Was an einer Stelle als Abfall anfällt, wird an anderer Stelle als Rohstoff gebraucht. Belebte und unbelebte Natur, Pflanzen und Tiere, alle stehen in Wechselbeziehungen, sind voneinander abhängig und brauchen sich gegenseitig. Umweltgerechtes Verhalten bedeutet, dass wir uns als Menschen in das komplizierte Geflecht des Lebens einfügen und es durch menschliche Aktivitäten nicht stören oder zerreißen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir selbst Teil dieses eng geflochtenen Netzes sind.

Beim Umweltschutz geht es nicht nur darum, gefährdete Pflanzen oder seltene Tiere zu schützen oder einzelne Biotope vor dem menschlichen Zugriff zu bewahren. In erster Linie geht es darum, dass wir uns in allem, was wir tun, in die natürlichen Kreisläufe einfügen und bei allen Aktivitäten die Rückwirkung auf Natur und Leben berücksichtigen.

Natürliche Kreisläufe beobachten

Umwelterziehung im Elementarbereich heißt deshalb in erster Linie, mit den Kindern natürliche Kreisläufe zu beobachten und nacherleben zu lassen und natürliche Wechselbeziehungen verständlich zu machen.

Der Wechsel der Jahreszeiten, das große Thema hergebrachter "Beschäftigungen" ist zu breit gefasst, um die wechselseitigen Abhängigkeiten nachzuvollziehen. Anschaulicher können sie etwa am Kreislauf des Wassers beobachtet werden, der auch über das wechselnde Wetter tagtäglich erlebt wird und mit dem Wechsel der Jahreszeiten in Verbindung steht. Die Frage, wie das Wasser an den Himmel kommt, und warum es dann wieder herunterfällt, liegt kindlichen Grübeln sehr nahe. Es lässt sich demonstrieren, wie Wasser in der Sonne verdunstet, aber unter einer Plastikhaut geschützt erhalten bleibt. Am Dampf, in den sich kochendes Wasser verwandelt und aufsteigt, ist die Bildung von Wolken zu beobachten. Das Abkühlen des Dampfes führt zur Tropfenbildung und macht verständlich, warum es aus der Wolke zu regnen beginnt. Und welche Bedeutung hat das Wasser am Boden? Pflanzen brauchen es für ihr Wachstum, der Mensch braucht es zum Trinken, Kochen und Waschen. Das Wasser sammelt sich in Pfützen, versickert in der Erde. Wenn wir tief genug graben, stoßen wir auf Grundwasser. Wo das Wasser fehlt, entsteht Wüste. Wo es zu viel regnet, verursacht es Überschwemmungen. Verunreinigtes Wasser kann in einer improvisierten Kläranlage gereinigt werden.

Wie ein Klärwerk arbeitet

Ein Klärwerk zur Reinigung von Wasser kann man mit den Kindern gemeinsam bauen. Nachdem die Kinder im vorhergehenden Experiment beobachtet haben, wie sich verschiedene Stoffe in Wasser auflösen oder nicht auflösen, einige der Stoffe aber das Wasser als Trinkwasser unbrauchbar machen, wie z.B. Öl, Spiritus und Erde, kann man versuchen, das Wasser wieder zu säubern. Dazu braucht man sechs durchsichtige Plastikbecher, einen Kaffeefilter, ganz feinen Sand, etwas gröberen Sand, Kies und etwas Aktivkohle. In den Boden jedes Bechers werden zwei bis drei Löcher gestochen. In den untersten Becher werden zwar keine Löcher gestochen, aber ein Kaffeefilter wird mit einem Gummi so am oberen Becherrand befestigt, dass die Tüte nach innen in den Becher ragt. Darauf wird der nächste Becher, gefüllt mit zwei Finger breit Aktivkohle, gestellt. Darauf folgt der Becher, der gefüllt ist mit einer Schicht des feinen Sandes. Es folgt ein Becher mit einer Schicht groben Sands. In den obersten Becher werden kleine Kieselsteine eingefüllt.

Nun braucht man noch Schmutzwasser, das sich gut herstellen läßt, wenn man in einen kleinen Sandkasteneimer etwas Erde, Sand, zerbröselte trockene Blätter, zerriebene Malkreide und eine Schaufel Kehrdreck in der Gruppe mit Wasser verrührt. Danach wird das Schmutzwasser in den obersten Becher gefüllt. Nun verfolgt man gemeinsam mit den Kindern, wie das Wasser langsam durch die verschiedenen Schichten sickert, bis die ersten sauberen Tropfen im untersten Becher ankommen (Braun 2000, S. 25/26).

Einen wichtigen Kreislauf kann eine kleine Kompostecke demonstrieren. Aus Pflanzenresten und tierischem Mist wird innerhalb weniger Wochen wieder frische Gartenerde, aus der neue Pflanzen wachsen können. Was passiert da drinnen? Wenn man den Haufen mit einem Kompoststarter versetzte, kann man sogar die Wärme fühlen und er zersetzt sich so rasch, dass die Kinder nicht allzu ungeduldig werden. Öffnet man ihn vorzeitig an einer Stelle, kann man beobachten, wie die Regenwürmer die Erde durcharbeiten und in Humus verwandeln.

Umweltgerechtes Verhalten

Aus dem Verständnis natürlicher Kreisläufe kann umweltgerechtes Verhalten erwachsen, ohne es über Einschränkungen und Verbote durchzusetzen.

Auf dem Waldausflug dürfen Flaschen oder Plastik nicht zurück gelassen werden, weil sie sich nicht zersetzen und als Fremdkörper in der Landschaft bleiben. Essensreste, Apfelbutzen oder Wurstscheiben, können unter eine Hecke geworfen werden, denn sie werden von anderen Tieren gefressen oder vermodern zu Erde. Käfer kann man in die Hand nehmen, beobachten, wie sie krabbeln und mit ihren Fühlern nach dem Weg suchen, aber sie werden nicht in einer Streichholzschachtel mit nach Hause genommen, weil sie nur in ihrem natürlichen Lebensraum überleben können.

Umwelterziehung gerät jedoch leicht in die Gefahr, bei den Kindern Ängste und Hilflosigkeit auszulösen, wenn sie über Zusammenhänge "aufgeklärt" werden, die ihnen keinen Handlungsspielraum lassen. Die drohende Klimakatastrophe oder die Erschöpfung der fossilen Energien sind deshalb kein sinnvolles Thema für Projekte im Kindergarten. Dass man dagegen in einer gut isolierten Kochkiste Speisen noch Stunden warm halten kann oder dass sie in der Kühltasche kalt bleiben, ohne Energie zu verbrauchen, gibt ihnen eine positive Perspektive für ihr Handeln und ihre Zukunft.

Erich Lutz/ Michael Netscher: Handbuch ökologischer Kindergarten, Kindliche Erfahrungsräume gestalten, Freiburg 1998

Ökologische Umgestaltung des Kindergartens mit Fotos und Planbeispielen.

Petra Brandt/ Peter Thiesen: Umwelt spielend entdecken. Ein Spielbuch und Ideenbuch für Kindergarten, Schule und Familie. Weinheim 1999

Spiele, Experimente, Rezepte und Tipps, die das Umweltbewusstsein schärfen sollen.

Almut Reidelhuber: Umweltbildung. Ein Projektbuch für die sozialpädagogische Praxis mit Kindern von 3-10 Jahren, Freiburg 2000

Umweltbildung und ihre Vernetzung. Ausführliche Projektvoschläge zu Wasser, Wald, Boden, Energie, Tierschutz und Lärm.

Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW: Natur-Werkstatt für Kinder, 2002

Broschüre mit Projektideen für naturnahe Bildungsarbeit. Zu beziehen über www.nua.nrw.de

Karin Blessing/ Silke Mäurer: Natur, Ökologie und Nachhaltigkeit im Kindergarten, Stuttgart 2003

Umweltbildung im Kindergarten und in der Erzieherinnenausbildung sowie naturpädagogische Projekte

3.8.4 Naturwissenschaftliche Frühbildung

Wenn sie in sicheren Beziehungen aufwachsen, zeigen Kinder im Elementarbereich eine schier unbegrenzte Neugier und Wissbegier. Sie wollen die Beobachtungen, die sie in ihrer Umgebung machen, durchschauen. Es geht ihnen nicht darum, losgelöste Erklärungen zu lernen und wiederzugeben. Kenntnisse und Verständnis werden gebraucht, um Fähigkeiten und Fertigkeiten im Handeln zu erproben und zu erweitern, um die Umgebung in Spiel und Gestaltung nach ihren Vorstellungen zu verändern. Wissensdrang und Verstehen erwachsen aus dem Handeln in ihrer Umwelt und sind auf das Handeln in der Umwelt gerichtet. In den Begriffen, die in der Diskussion um wissenschaftliche Forschung gebraucht werden, ist kindliches Forschen immer "interdisziplinär", "praxisrelevant" und "anwendungsbezogen".

Körper, Nahrung und Verletzlichkeit

Das Interesse an den Bereichen, die die Biologie behandelt, erwächst an den Erfahrungen mit dem eigenen Körper, den Sensationen, die er vermittelt, und den Schmerzen, die verursachen kann.

Hunger, Sättigung und Ausscheidung sind solche elementaren Erfahrungen, die die Frage nach der Arbeitsweise der menschlichen Verdauung aufkommen lassen. Sie sind desto interessanter, als sie sich mit den analen Strebungen der Psychoanalyse verbinden, in deren Perspektive die Ausscheidungen das erste Produkt des Menschen repräsentieren. Die Frage, was mit der Nahrung passiert, und was schließlich auf der Toilette davon übrig bleibt, stellen sich fast alle Kinder. Wenn das Thema als schmutzig abgewehrt wird, verfallen Kinder auf ihre eigenen Forschungswege. Sie können dann, wie mir das ein Bekannter aus seiner Kindheit erzählte, Glasmurmeln schlucken, um zu testen, ob sie wirklich hinten wieder rauskommen.

Das zweite große Thema ist die Verletzlichkeit. Wenn man sich schneidet, kommt Blut heraus. Wie zirkuliert das Blut durch den Körper? Wie sieht der Körper von innen aus? Und was passiert da drinnen, wenn man krank wird? Wiederum verbindet sich die Neugier mit einem bedrängenden Gefühl: Die Wahrnehmung der eigenen Verletzlichkeit erzeugt ein erstes und viele Kinder belastende Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit. Kinder schrecken deshalb in diesen Jahren oft aus Alpträumen auf, in denen sie von verschlingenden Monstern und vernichtenden Naturgewalten bedroht werden.

Verletzungen und Krankheiten bieten Anlass, über die menschliche Natur zu sprechen und Einblick in die Vorgänge im Inneren des Körpers zu nehmen. Zur Veranschaulichung können Sachbücher herangezogen werden. Noch eindrücklicher fallen Computerprogramme aus, die erlauben, durch das Körperinnere zu reisen und körperliche Vorgänge nachzuvollziehen.

Auch das Interesse an der Lebensweise von Tieren und Pflanzen knüpft, wie schon beim Naturerleben ausgeführt, an den eigenen Körperempfindungen an. Ausgehend von Beobachtungen im Gelände und von den Erfahrungen mit Haustieren oder mit dem Anlegen von Pflanzenbeeten lassen sie sich über Erklärungen und mediales Anschauungsmaterial erschließen und die neuen Kenntnisse wieder auf den Umgang mit Tier- und Pflanzenwelt anwenden.

Erfahrene Physik

Wiederum ist es der eigene Körper, an dem die ersten Gesetze der Physik erfahren werden. Wenn man stolpert, zieht einen die Schwerkraft zu Boden. Auf der Rutsche lässt sie einen abwärts gleiten. Wenn man beim Klettern auf einen zu dünnen Ast tritt, bricht er durch. Um zu rennen, muss man Kraft einsetzen, sobald sie erschöpft ist, kann man nur noch Schrittchen machen. Mit dem Tretroller oder auf dem Rollbrett kann man beschleunigen und immer schneller vorwärts schießen. Auf der Wippe muss man die richtige Stelle ausfindig machen, will man gleichmäßig auf- und abwippen: Wer schwerer ist, sitzt weiter draußen, wer leichter ist, weiter innen.

Die gleichen Gesetze müssen beim Bauen und Hantieren beachtet werden, sonst fällt alles gleich wieder zusammen. Pfosten müssen gerade in die Erde gerammt werden, wenn sie etwas tragen sollen. Um auf dem Wasser getragen zu werden, braucht man ein kräftiges Stück Holz, ein Brett oder einen Balken. Wenn es zu klein ist, geht man damit unter. Oder man braucht einen mit Luft gefüllten Gegenstand, denn die Luft ist leichter als Wasser, man sieht es im Badewasser, wenn man unter Wasser ausatmet.

Beim Aufstauen am Bach richten noch so viele Schaufel Erde wenig aus, sie werden vom Wasser gleich wieder ausgeschwemmt. Legt am ein Brett quer, oder baut eine Barriere aus Steinen und dichtet sie mit Grasbüscheln ab, kommt das Wasser nicht mehr durch.

Wie sich Stoffe verändern

Der kindliche Alltag ist voller Beobachtungen, die die Wissenschaft der Chemie zurechnet und die Kinder zunächst bestaunen und dann als Gegebenheiten hinnehmen.

Hier ist es vor allem die Nahrung, die auf chemische Veränderungen hinweist. Die Milch schmeckt erst süß, wenn sich der Zucker aufgelöst hat. Manche Nahrungsmittel schmecken roh, andere müssen erst gekocht werden. Aber warum wird die Kartoffel beim Kochen weich und die Milch im Reisbrei dick?

Beim Spielen werden die Hosen schmutzig. Hängt nur Sand an ihnen, lässt er sich abschütteln. Ist es Erde, kann man sie mit etwas Wasser auswaschen. Hat man in einen Flecken Öl gegriffen und die Hände an der Hose abgewischt, hilft selbst das Waschmittel in der Waschmaschine nicht mehr und man muss sie in die Reinigung geben.

Beim Malen lassen sich manche Farben mischen und ergeben eine neue Farbe. Andere Mischungen ergeben nur eine dreckig braune Soße.

Mit den Fingern zählen und messen

Auch alles Messen und Berechnen nimmt seinen Ausgangspunkt von der eigenen körperlichen Erfahrung, der einen Nase, die jeder im Gesicht trägt, den zwei Händen und zehn Fingern. Auf Körperbewegungen und den davon abgeleiteten Körpermaßen baut dann alle frühe Mathematik auf. Die ersten Rechenoperationen werden an den Fingern abgewickelt. Gerade und ungerade Zahlen werden im Abwechseln der Füße beim Treppensteigen wahrgenommen. Längenmaße werden verglichen, indem sich die Kinder Rücken an Rücken stellen und die Scheitelhöhe mit den Händen abschätzen.

Die ersten Zahlen werden rasch gelernt, es sind gerade die, die am eigenen Körper nachvollziehbar sind: Eins, zwei, drei, vielleicht auch schon die Zehn. Dazwischen kullern die Zahlen noch meist durcheinander, denn es dauert, bis eine längere Zahlenreihe korrekt durchgezählt werden kann. Längere Zahlenreihen werden unterstützt, sobald die ersten Zeichen für Zahlen gelesen werden können. Einige Zahlen haben eine "hautnahe" Bedeutung und können deshalb zuerst gemerkt und wiedererkannt werden: Die eigene Haus- oder die Telefonnummer zum Beispiel.

Die am Körper wahrnehmbaren Zahlenverhältnisse werden auf die Umwelt übertragen und ausgedehnt. Deshalb sind alle älteren Maßeinheiten körperliche Maße: der Fuß, die Elle, die Daumenbreite usw. Darum messen Kinder Strecken zunächst nicht nach Metern, sondern zählen die Schritte ab, die sie dafür zurücklegen müssen. Sie können dann durch die metrischen Maße ersetzt und die gegenständliche Welt danach vermessen werden. Beim Hantieren mit dem Meterstab können die Längen am Stab verglichen, und dabei einzelne Markierungen auf dem Stab erkannt und die ersten Zahlen auch gelesen werden.

Die wichtigen geometrischen Figuren finden sich gleicherweise am eigenen Körper wie in der natürlichen Umwelt wieder. Sie treten dort jeweils in abgewandelter Gestalt auf. Ihre präzise Form als Linie, Punkt, Kreuz, Dreieck oder Viereck usw. entsteht, wenn man sich alle Erscheinungen übereinander legt und daraus ihre "reine Form" erschließt. (Ähnlich hatten schon Kleinkinder aus den vielen Situationen des Mittagessens das typische Mittagessen rekonstruiert).

Mathematik im Kindergarten

Um es gleich vorweg zu sagen – hier geht es nicht um Rechnen oder das Schreiben von Zahlen wie in der Schule. Eher um Mengenlehre: Schon Kleinkinder können ein Verständnis von "größer als – gleich groß – kleiner als" oder von "am meisten – mehr – weniger – am wenigsten" entwickeln, wenn Erzieherinnen sie z.B. verschieden große Mengen von Perlen vergleichen lassen (Schätzungen). Ferner kann das Zählen gefördert werden – auch dadurch, dass z.B. die Kinder am Morgen die Zahl der Anwesenden zählen, dass ein Nebenraum nur von einer bestimmten Anzahl von Kindern aufgesucht werden darf, wenn "Mannschaften" für Gruppenspiele aufgestellt werden oder wenn häufig Abstimmungen durchgeführt werden. Außerdem kann mit Kindern darüber gesprochen werden, was überhaupt eine Zahl ist und wofür Zahlen gut sind (Textor 2004, S. 3/4).

Mit Händen begreifen

Zweifellos steckt die kindliche Erfahrungswelt voller naturwissenschaftlicher Erscheinungen. Aber die Weise, in der Kinder im Elementarbereich naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten erfahren und begreifen, unterscheidet sich grundsätzlich von der Weise, in denen sie später in den Fachdidaktiken der einzelnen Schulfächer gelehrt werden. Ohne zu berücksichtigen, wie sich Kinder in diesem Alter die Naturerscheinungen zugänglich und anwendbar machen, wird jede Frühförderung folgenlos bleiben.

Die Frage, wie und ab wann Kinder beginnen, aus ihren Beobachtungen der materiellen Welt allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, beschäftigte Jean Piaget ein Forscherleben lang. Da er die naturwissenschaftliche Beschreibung für die einzig zulässige hielt, war sie für ihn verknüpft mit der Frage nach der Entwicklung von Kognition überhaupt. Er suchte zu erschließen, ab wann Kinder in der Lage seien, aus zwei Beobachtungen eine Schlussfolgerung zu ziehen, die den Augenschein der Beobachtungen hinterfragte und zu einer gesetzmäßigen Erklärung kam. Dazu führte er die bekannten "Erhaltungsexperimente" durch, d.h. er zeigte den Kindern beispielsweise ein breites Gefäß mit einem niedrigen Stand an Flüssigkeit, goss sie in ein hohes enges Gefäß um, wo die Flüssigkeit einen hohen Stand erreichte. Die Kinder wurden dann gefragt, ob das zweite Gefäß mehr oder gleich viel Wasser enthält. Da Kinder unter sieben antworteten, es sei verschieden viel Wasser enthalten, weil das Wasser einmal niedrig, das andere Mal höher stand, kennzeichnete er ihr Denken als "voroperational". Ältere Kinder, die beide Beobachtungen zueinander in Beziehung setzen konnten, zeigten für ihn ein "konkret operationales" Denken.

Amerikanische Forscher wandelten die Experimente Piagets in der Weise ab, dass das Ergebnis nicht mehr von den (sprachlichen) Antworten, sondern von ihren Tätigkeiten abhing. Dabei zeigte sich, dass auch schon sehr viel jüngere Kinder die Eigenschaften zu kombinieren wussten, sie allerdings nicht sprachlich ausdrücken konnten. Die Abstraktionsfähigkeit beginnt sich offenbar erst auf der Handlungsebene zu entwickeln. Und so können wir weiter schlussfolgern, sie wird desto leichter erreicht, je interessierter Kinder an der Lösung von Problemen sind, die sich bei ihren konkreten Tätigkeiten stellen.

Solange Schlussfolgerungen nur aus der handelnden Erfahrung abgeleitet werden, können sie im praktischen Umgang angewendet werden, es kann daraus jedoch kein Wissen um die Gesetzmäßigkeiten entstehen. In ähnlicher Weise können Kinder schon mit zwei Jahren Regeln aus der Sprachverwendung extrahieren, die sie wohl anwenden, jedoch nie benennen könnten. Die Speicherung verbleibt in der Sprache der Gehirnforschung also auf das prozedurale Wissen beschränkt. Sollen Gesetzmäßigkeiten über die bewusste Überlegung anwendbar werden, müssen sie auch sprachlich benannt werden können und damit dem deklarativen Wissen zugänglich werden. Was Kinder handelnd entdecken, ist deshalb immer wieder mit ihnen zu besprechen und darüber zu versprachlichen.

Beobachtungen durchschaubar machen

Zwar suchen Kinder durchaus auch selbständig nach kausalen Erklärungen, indem sie sich Beobachtungen auf die eine oder andere Weise zurecht legen. Ihre Erklärungsversuche bewegen sich im allgemeinen in einer bildhaften Logik. (Sommersprossen werden dann etwa damit "erklärt", dass jemand in den Ventilator kackte und die Sommerprossigen ihre Flecken abbekamen, als man den Ventilator anstellte).

Naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten erschließen sich jedoch erst über die sprachliche Durchdringung von Beobachtungen und Erfahrungen. Sie müssen in einer den Kindern zugänglichen Weise sprachlich vermittelt werden. Das gilt für die von Kindern in ihren Spielen beachteten physikalischen Gesetzen nicht anders als für die chemischen Prozesse, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind, oder die Kategorien, die der Mathematik zugrunde liegen. Stets müssen die Wahrnehmungen über die sprachliche Benennung ins Bewusstsein gehoben werden, um als allgemeine und anwendbare Kategorien verfügbar zu werden.

So werden etwa Grundlagen mathematischen Denkens gefördert, indem

  • Raum und Lage benannt werden: Oben-unten, vorne-hinten, rechts-links, innen-außen etc.,
  • Räumliche Körper und geometrische Figuren erkannt und benannt werden: Kugel, Würfel, Quader, Säulen bzw. Kreise, Quadrate, Rechtecke, Dreiecke,
  • Figuren und Körper nach ihren Eigenschaften erkannt und benannt werden: rund, eckig, vielkantig,
  • Gegenstände gesammelt und nach Größen und Eigenschaften sortiert werden,
  • Muster unterschieden werden: Punkte auf dem Würfel, Anordnung von Karten beim Spielen,
  • Unterscheidungen getroffen werden nach Größen, Masse, Gewicht, Zeit,
  • Zahlen in der Umwelt erkannt und unterschieden werden.

Experimente in Handlungskontexte stellen

Gerade im Bereich einer naturwissenschaftlich-technischen Frühförderung ist bei allen Aktivitäten zu berücksichtigen: Das "Weltwissen", über das Vorschulkinder verfügen, entwickelt sich über ihre Handlungsfähigkeit im Umgang mit andern Menschen. Ob sie die Erklärungen, die sie auf ihre vielen Warum-Fragen erhalten, festhalten und nachvollziehen können, ist abhängig von ihrer Beziehung zur erklärenden Person und der Qualität der Kommunikation, die sie mit ihr unterhalten. Die intellektuelle Präzision der Erklärung ist für die Einprägsamkeit nicht unwichtig, aber kommt dennoch erst an zweiter Stelle. Das ist auch der Grund, warum gelungene mediale Darstellung (im Bilderbuch, im Fernsehfilm etc.) relativ wirkungslos bleibt, wo sie nicht in einen persönlichen (Beziehungs-) Zusammenhang gestellt und behandelt wird.

Allerdings ist die Form der sprachlichen Begleitung und Bearbeitung der beim Hantieren und Experimentieren gemachten Erfahrungen auch nicht nebensächlich. Sie müssen sich dem sprachlichen Verständnis der Kinder anpassen, sollen sie aus den Beobachtungen auf Gesetzmäßigkeiten schließen können. Andererseits verlangt die sprachliche Erklärung wiederum nach der aktiven Vergegenwärtigung des Spiels oder der sinnlichen Anschaulichkeit des Mediums. Darum wird "forschendes Lernen" mit Erwachsenen, das von Alltagsbeobachtungen ausgeht, die dann über Ausprobieren, Erklärung und spielerische oder mediale Anschauung gefestigt werden, und dann wieder auf das eigene Handeln angewendet wird, die nachhaltigste Wirkung zeigen.

Als Faustregel ist deswegen festzuhalten:

  • Ausgangspunkt für Experimente hat stets eine Erfahrung oder Beobachtung zu sein, die das Interesse der Kinder weckt.
  • Fragen und Probleme, die sich daraus ergeben und die von Kindern oder den Fachkräften gestellt werden, können dann zu Untersuchungen und Experimenten führen, die die aufgetauchten Probleme und Fragen beantworten, indem sie in einen sinnvollen und einsehbaren Handlungskontext eingefügt werden.
  • Die dabei gefundenen Lösungen und Ergebnisse müssen ausgetauscht und sprachlich durchgearbeitet werden.
  • Die Ergebnisse sind wiederum in einem einsehbaren und interessanten Handlungszusammenhang anzuwenden und haben darüber die Handlungsfähigkeit der Kinder zu stärken.

In dieser Kombination können Gesetzmäßigkeiten naturwissenschaftlichen Denkens vermittelt werden, die eine Grundlage für ein frühes naturwissenschaftliches Verständnis bilden.

An Situationen anknüpfen

Prinzipiell lassen sich drei Anlässe unterscheiden, naturwissenschaftliche Experimente in den Erfahrungshorizont der Kinder einzuführen:

  • Sie können sich auf spontane und zufällige Beobachtungen der Kinder beziehen. Wenn sich Kinder beim Frühstück beispielsweise wundern, wohin der eingerührte Zucker verschwunden ist, lässt sich im Anschluss daran eine Versuchsanordnung einführen, in der Zucker oder Salz aufgelöst und wiedergewonnen wird.
  • Beim Bauen und Konstruieren ergeben sich immer wieder Situationen, in denen auftretende Schwierigkeiten anhand kurzer Versuche verständlich gemacht und eine Lösung gefunden werden kann. Wollen Kinder etwa eine Pfütze zum Matschen anlegen, sollten sie ruhig zunächst Wasser in die ausgegrabene Kuhle füllen. Ist das Wasser am nächsten Tag versickert, können sich Versuche mit verschiedenen Materialien anschließen, um zu testen, welches Material das Wasser zurückhält.
  • Aus solchen spontanen Erfahrungen können sich weiterführende Projekte ergeben. In der Wasserpfütze wird sich, sofern man sie eine Zeit lang in Ruhe lässt, bald allerhand Leben entwickeln, das man mit Lupen beobachten, aus dem man Proben entnehmen und es unter dem Mikroskop studieren kann. Im nächsten Schritt kann man einen kleinen Weiher besuchen, dort Wasserpflanzen und Lebewesen untersuchen, und davon Proben mit in die Einrichtung bringen, die wiederum einer Untersuchung unterzogen werden. Filmbeispiele und Sachbücher ergänzen dann die Beobachtungen. Die Pfütze im Außengelände ist dann längst wieder zum Matschen freigegeben.

Experimentierstunden reichen nicht

Für eine naturwissenschaftliche Frühbildung bedeutet das, dass losgelöste Experimente ohne diesen konkreten Handlungskontext nur bedingt Wirkungen haben werden. Sie mögen im Augenblick für die Kinder durchaus interessant und attraktiv sein, weil sie mit Aktivitäten und Überraschungen verbunden sind. Abgelöst von einsehbaren Handlungszielen riskieren sie jedoch, wie eine Art Zauberei zu wirken und nicht als Erfahrungen aufgefasst zu werden, die angemessenes Handeln ermöglichen.

Das ist das Manko der Experimente, wie sie in Programmen und Rahmenplänen für die Bildung im Elementarbereich empfohlen und sich in zahlreichen älteren und neueren Publikationen beschrieben finden: Sie werden fast durchweg als abgelöste Versuchsanordnungen präsentiert. Sie verbinden zwar Anschauung und Beobachtung mit einer für die Kinder nachvollziehbaren sprachlichen Erklärung. Sie stellen die Experimente aber nicht in konkrete Handlungssituationen, in denen die erfahrenen Zusammenhänge wieder angewendet und damit für das kindliche Handeln fruchtbar gemacht werden.

Handlungssituationen, aus denen heraus sich naturwissenschaftliche Experimente ergeben, deren Ergebnisse dann wieder zum erfolgreichen Handeln eingesetzt werden, sind in der Fachliteratur bislang kaum zu finden. Die beschriebenen Experimente bieten wertvolles Material, sofern sie in einen für die Kinder nachvollziehbaren Handlungskontext eingefügt werden. Das ist von den Fachkräften selbst zu leisten und stellt einige Anforderungen an Findigkeit und Planung. Gute Gelegenheiten, diesen Handlungskontext herzustellen und Experimente zur Lösung auftauchender Probleme einzusetzen, bieten am ehesten größere handwerkliche Vorhaben. Die Chemie der Farbmischungen stellt sich etwa beim Vorhaben, die Wände des Gruppenraums neu zu streichen. Statt mit einer fertigen Farbe loszulegen, kann das unterschiedliche Verhalten verschiedener Arten von Farben untersucht und die Gründe dafür erkundet werden.

Aber auch aus Beobachtungen von Kindern können sich weiterführende Handlungssituationen ergeben. Dass Kinder eine Matschpfütze nach einem Sonnenwochenende ausgetrocknet vorfinden, kann Anlass sein, um die Verdampfung von Wasser zu demonstrieren. Im Experiment kann jeweils ein offenes und ein mit durchsichtiger Plastikfolie abgedecktes Gefäß mit Wasser in die Sonne gestellt und beobachtet werden, was mit dem enthaltenen Wasser geschieht. Es wird dann sichtbar werden, dass das Wasser im offenen verdunstet, im geschlossenen Gefäß aber erhalten bleibt, weil sich die Wassertropfen an der Abdeckung niederschlagen. Die Pfütze wird nun mit einer Plastikfolie abgedeckt und so vor dem Austrocknen geschützt.

Werden Versuche in gesonderten Experimentierstunden durchgeführt, werden sie das Ziel, Kindern im Elementarbereich naturwissenschaftliche Grundkenntnisse zu vermitteln, in den meisten Fällen verfehlen. Von den Fachkräften angesetzte oder in Bildungsplänen vorgeschriebene Demonstrationen werden auf Dauer so wenig bewirken, wie die didaktischen Materialien der 70er Jahre, wenn sie nicht im situativen Erleben und Handeln der Kinder verankert werden.

Mireille Hibon/ Elisabeth Niggemeyer: Spielzeug Physik, Weinheim 1998

Leicht nachvollziehbare Experimente mit Luft, Magneten Licht usw., die die verfasserin mit ihren eigenen Kindern durchführte

Braun, Daniela: Mit Kindern forschen und erfinden, Freiburg 2000

Zum Forschen von Kindern, zum Einrichten einer Werkstatt. Experimente zu den Elementen, zu Farben.

Gerald Bosch: 1000 spannende Experimente, Bindlach 2000

Zahllose und gut durchführbare Experimente aus Physik, Biologie, Chemie

Gisela Lück: Handbuch der naturwissenschaftlichen Bildung. Theorie und Praxis für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen, Freiburg 2003

Diskussion der Zugänge von Kindern zur Naturwissenschaft und anschließend 26 Experimente für Kleinkinder und einer Anleitung zu ihrer Durchführung, die in drei Serien angeordnet sind und innerhalb der Serien aufeinander aufbauen

Einrichtung des "Labors"

Um Erfahrungen zu ermöglichen, aus denen naturwissenschaftliche Grundbegriffe abgeleitet werden können, muss Werkstatt und Atelier um ein kleines "Labor" erweitert werden: In jedem Fall sollten Messbecher, Reagenzgläser aus haltbarem Plastik, Lupen, Ferngläser, möglichst auch ein Mikroskop und ein Fernrohr zur Verfügung stehen. Im Außengelände kann ein gutes Thermometer angebracht werden, das Maximum- und Minimumtemperaturen festhält, ein Regenmesser, ein Windrädchen, das die Windgeschwindigkeit anzeigt.

In Gläsern oder anderen durchsichtigen Behältern werden Gegenstände und Stoffe gesammelt und sichtbar in einem Regal aufgestellt: Verschiedene Formen von Erde, feiner und grober Sand, Steine, Wolle, getrocknete Pflanzen, Pflanzensäfte zum Färben und dergleichen mehr. Alles, was sich im Laufe von Experimenten und Aktivitäten angesammelt hat, wird aufgehoben und in Gläsern ausgestellt, um neue Aktivitäten anzuregen.

3.8.5 Technische Grundbildung

Die Lebenswelt der Kinder ist voller technischer Geräte und Maschinen. Im Haushalt wäscht die Waschmaschine, die Haare werden mit dem Fön getrocknet, der Mixer zerkleinert die Früchte für den Früchtequark. Treppensteigen kann man sich mit dem Aufzug ersparen, zum Kindergarten wird man im Auto oder mit dem Autobus gebracht, die Straßen werden von ratternden Baggern aufgerissen, neue Rohre mit dem Kran verlegt und von der Asphaltmaschine neuer Straßenbelag aufgebracht. Im Fernsehen beobachtet man gar, wie Raketen zu den Planeten geschickt werden und "Grossraumer" zwischen den Galaxien verkehren. Alle diese Beobachtungen erregen die Neugier, und es ist die Kraft und die Schnelligkeit, mit der Maschinen Arbeitsgänge erledigen, die kindliche Allmachtsphantasien ansprechen und Maschinen so anziehend machen.

Modelle konstruieren

Technische Geräte beziehen Kinder ganz selbstverständlich in ihre spontanen Spiele ein. Sie bekommen dann noch phantastischere Eigenschaften zugesprochen als alles, was man in der Umwelt beobachten kann. Ein alter Karton kann als Waschmaschine dienen, die Wäsche nicht nur wäscht, sondern auch gleich repariert, umfärbt, oder größer und kleiner werden lässt. Man muss dafür nur einen Knopf drücken, der auf den Karton aufgemalt wurde.

Mit Konstruktionsspielzeug kann man Maschinen bauen, die im Kleinen Ähnliches leisten wie ihre großen Vorbilder. Konstruktionsspielwaren bieten auch Bausätze für technische Anlagen, Elektromotoren, die die Modelle in Bewegung setzen, oder Flaschenzüge, die Gewichte heben können. Beim Anschließen des Elektromotors wird das Grundprinzip des Stromkreises angewendet, am Kran das Prinzip des Flaschenzugs nachvollzogen.

Damit wird der Spielraum zwar eingeengt, denn man muss sich nach den Konstruktionsprinzipien richten, die der Bausatz vorsieht. Bei den klassischen Blockbausteinen aus Holz hat man sich an die Statik zu halten, die durch die Schwerkraft bedingt wird. Die allseits verbreiteten Legosteine werden ineinander gesteckt und erlauben Konstruktionen, die als kompakte Modelle zusammenhalten und herumgetragen werden können.

Wie alles Spielen eröffnen Konstruktionsspiele mit dem Bauen von Modellen einen weiten Raum der Vorstellung, der nur begrenzt wird durch die Fingerfertigkeit und den Einfallsreichtum der Konstrukteure. Was das Spielgerät selbst nicht leistet, kann durch die Spielhandlung vervollständigt werden: Das Flugzeug kreist dann eben an der ausgestreckten Hand des Konstrukteurs durch die Luft.

An Modellen lernen

Das Bauen verkleinerter Modelle vermittelt Einsicht in technische Konstruktionsprinzipien, die aber zunächst vor allem über das Probieren und Hantieren erschlossen werden. Um sie dem bewussten Wissen zuzuführen und auf Dauer anwendbar und verfügbar zu machen, sind diese Erfahrungen zu ergänzen durch die Behandlung mit den Fachkräften. Dazu kann man nachfragen, wo es ähnliche Maschinen "in echt" gibt und sie über Sachbücher, Medien oder vielleicht auch über Exkursionen erkunden. Den Anknüpfungspunkt bietet der Wunsch, die Modelle so zu konstruieren, dass sie ihren echten Vorbildern möglichst nahe kommen. Umgekehrt können technische Verfahren und Geräte, die man beobachtet oder in Medien gesehen hat, als Modelle nachgebaut und ins Spiel einbezogen werden.

Technische Konstruktionsweisen können aber auch in größeren Projekten zum Thema gemacht werden. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, wie Menschen wohnen, können nicht nur die verschiedenen Häuser besucht werden, in denen die Kinder wohnen, Altbauten oder Neubauten, und beobachtet werden, wie sie angelegt und mit welchen Baustoffen sie gebaut sind. Man kann dann auch zum Wohnen in verschiedenen Zeiten und Kulturen übergehen und Modelle von Häusern und Hütten bauen, in denen Menschen gewohnt haben oder heute in anderen Ländern wohnen. Dazu müssen zunächst Zeichnungen und Abbildungen dieser Häuser studiert und besprochen werden, wie sie konstruiert sind. Danach muss nach geeignetem Material gesucht werden, um sie als Modell nachzubauen. Aus der Sammlung von fremden Wohnformen entsteht dann ein kleines kulturübergreifendes Dörfchen, das auf einem Tisch aufgebaut und ausgestellt werden kann.

Carl Schietzel/ Christian Vollmers/ Heidi Schulze-Biehl/ Hermann

Raabe: Erste Schritte in die Welt der Technik. Werk- und Lernbeispiele für Vier- bis Siebenjährige, Ravensburg 1976

Umfassende Sammlung technischer Modellbauten: Türme, Häuser, Wohnen, Kleidung, Fahrzeuge, Schiffe, Maschinen.

Walter Kraul: Spielen mit Wasser und Luft, Stuttgart 2003

Anleitungen zum Bau von Wasserrädern, Schöpfrädern, Schiffen, Wasserraketen, Luftballons, Mobiles, Fliegen, Windmühlen, Laufrädern, Bumerangs und Wetterfahnen.

Technik "in echt"

Für die Phantasie mag es keinen so entscheidenden Unterschied machen, ob ein Kind das Haus aus Karton baut oder eine echte Hütte zimmert. Für das Selbstbewusstsein der Konstrukteure und die Anerkennung, die es einbringt, macht die begehbare Hütte einen großen Unterschied. Außerdem kann sie auch mit der ganzen Kindergruppe benutzt werden. Auch und gerade bei technischen Gerätschaften ist es ein ganz anderer Dreh, sie auch "in echt" zu bauen, und das heißt, sie so zu konstruieren, dass sich die Kinder hineinsetzen, sich mit ihnen bewegen oder damit eben echte Lasten heben können. In einem Projekt Wohnen kann dann unter Umständen auch eine afrikanische Lehmhütte, ein Pfahlbau oder ein Holzhäuschen im Außengelände aufgestellt werden.

Solche Vorhaben erfordern eine überlegte und umfassende Vorbereitung. Es wird dabei meist die engagierte Hilfe von Außenstehenden nötig sein und natürlich ein anderer Einsatz von Geld und Material. Und in Rücksicht auf eine möglichst große Mitarbeit der Kinder werden sie einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Sie bieten aber auch unschätzbare Lernmöglichkeiten.

Zunächst können Entwürfe als Zeichnungen oder kleine Modellbauten erarbeitet werden, an denen dann besprochen werden kann, was realisierbar ist und was die technischen Möglichkeiten übersteigt.

Kinder können an der Beschaffung des notwendigen Materials beteiligt werden, und dafür die entsprechenden Verkaufsstellen oder Werkstätten besucht werden.

Beim Bau selbst hat man sich immer wieder die Zeit zu nehmen, durch anschauliche Demonstrationen vorzuführen, welche Konstruktionen die Belastungen aushalten und welche zusammenzubrechen drohen.

Der Abschluss solcher großen Vorhaben verdient dann ein Fest, zu dem Eltern und Außenstehende eingeladen werden.

Es gibt aber auch bescheidenere Vorhaben, bei denen technisches Wissen vermittelt wird. So können zum Beispiel Bewegungsgeräte, wie Rollbretter, Drehscheiben oder Seifenkisten gebaut und für die Bewegungsangebote genutzt werden. Dazu muss man ihre Konstruktionsweise studieren, sie mit den Kindern besprechen, unter Umständen auch vorweg kleine Modelle als Vorlagen und Versuchsgeräte anfertigen.

Wo es eine Plattformen im Außenbereich gibt oder man mit geringem Aufwand eine Veranda in einen alten Baum errichten kann, kann sie mit einem Flaschenzug ausgestattet werden, um Lasten hoch zu hieven. Oder mit Hilfe einer Handpumpe, die zerlegt wird, um ihre Arbeitsweise zu verstehen, wird eine Anlage gebaut, mit der man Wasser auf eine erhöhte Stelle heben kann, um sie dann durch einen Kanal wieder zur Wasserstelle zurückzuleiten. Auf dem Weg zu Tal können nun Wasserräder angebracht werden, die kleine Geräte betreiben, oder auch ein Dynamo eingebaut werden, um einige Volt Strom zu erzeugen.

Und es versteht sich dann von selbst, dass die kaputten Fahrräder oder Tretroller nicht zur Reparatur gegeben, sondern gemeinsam repariert werden und bei der Gelegenheit ihre Konstruktion studiert wird.

Gebrauchte Geräte zerlegen

Verständnis für technische Konstruktionen wird auch dadurch gefördert, dass man ausrangierte Geräte auseinandernehmen lässt. Ähnlich wie Kinder sich fragen, wie es wohl tief drinnen im Körper aussieht, sind sie neugierig, zu erkunden, wie es in den technischen Geräten ausschaut. Vor allem die Geräte, die nach mechanischen Prinzipien aufgebaut sind und von einem Motor angetrieben werden, können beim Auseinandernehmen in ihrer Bauweise durchschaut werden. Schwieriger wird es mit dem Fernseher oder dem Computer. Sie verbieten sich schon deswegen, weil sie giftige Stoffe enthalten.

Abgesehen von ihrem Lehrwert bedient das Zerlegen von Geräten auch eine gute Portion Zerstörungslust, die nicht nur negativ zu bewerten ist, sondern zugleich den Platz für neue Ideen und Betätigungen schafft. Beim Zerlegen von Geräten etwa können Bestandteile wie Schrauben, Muttern, Beilagscheiben und dergleichen ausgebaut und in Materialkästen sortiert werden. Das Sammeln in Kästen für jede Art und Größe schult ganz nebenbei den Blick für Mengen und Formen. Diese Teile stehen dann für spätere Konstruktionen zur Verfügung oder werden für Spiele zweckentfremdet. Eine große Beilagscheibe gibt dann das Ruder für das Schiffsmodell ab.

Natürlich besteht beim Zerlegen gebrauchter Geräte auch die Gefahr sich zu verletzen, es muss deshalb immer unter Aufsicht erfolgen. Zugleich brauchen Kinder dazu Hilfen, wo sie mit ihrer Kraft oder Geschicklichkeit nicht zu Rande kommen.

Konstruktionsprinzipien begreifen

Beim Konstruieren von Modellen wie beim Bauen von benutzbaren Konstruktionen geht es gleichermaßen darum, wichtige Konstruktionsprinzipien zu erfahren und zu durchschauen. Wie in der gesamten Bildung im Elementarbereich geht es jedoch nicht darum, ein festes Programm an technischen Konstruktionsweisen zu vermitteln, sondern exemplarische Erfahrungen und Einsichten zu ermöglichen.

Das Prinzip der Kraftübertragung etwa kann dabei am Spielzeugmotor studiert werden, der die Räder eines Phantasiefahrzeugs über einen Treibriemen antreibt. Es kann auch bei der Fahrradreparatur am Beispiel des Kettenantriebs behandelt oder beim Zerlegen eines mechanischen Weckers anhand der ineinandergreifenden Zahnräder beobachtet werden. Wichtig ist bei allen diesen Beispielen, dass die neu erworbenen Kenntnisse auch gleich wieder umgesetzt werden können, also das Spielzeuggefährt auch tatsächlich fährt, die Kette am Dreirad wieder funktioniert, die ausgebauten Zahnrädern zu einer kleinen Phantasiemaschine zusammengesetzt werden.

Wie das Waschen in der Waschmaschine vor sich geht, lässt sich zunächst an der sich drehenden Waschtrommel beobachten. Warum aber wird die Wäsche dabei sauber? Das liegt einmal, wie jedes Kind weiß, am dazu gegebenen Waschmittel. Stark verschmutzte Wäsche wird aber durch die Zugabe von Waschmittel allein nicht sauber werden, wie sich durch das Ansetzen in einer Waschschüssel nachweisen lässt. Was also macht die Maschine zusätzlich? Sie vermischt durch das Drehen der Trommel die Wäsche mit Sauerstoff. Durch kräftiges Rühren der Handwäsche erzielt man deshalb ähnliche Wirkungen. Aber warum wirkt das Waschmittel? Dazu werden mediale Darstellungen herangezogen, auch lässt sich einfaches Waschmittel selbst herstellen, indem man reine Holzasche herstellt und auskocht, was wiederum einen schönen Anlass gibt, mit Feuer zu spielen.

Zur Rolle der Fachkräfte

Die Fachkräfte in den Einrichtungen sind kaum auf die Förderung naturwissenschaftlicher oder technischer Frühbildung vorbereitet. In ihrer Ausbildung spielte sie bislang keine Rolle und nur einige wenige beginnen, sich einschlägige Kenntnisse über Fortbildungen zu erwerben.

Dass sie in diesen Bereichen zunächst wenig zu Hause sind, muss die Erzieherinnen nicht hindern. Sofern sie ihre Unkenntnis nicht verstecken und den aufgeworfenen Fragen zusammen mit den Kindern nachgehen, bieten sie gerade deshalb optimale Lernchancen für die Kinder. Die Alltagsarbeit wird dabei aufregender und spannender und die Beschäftigung mit diesen Themen wird sie früher oder später zu "Fachfrauen" werden lassen, die naturwissenschaftliche Fragen im Team vertreten können. Zusätzlich können Gäste mit entsprechenden Kenntnissen in die Einrichtung geholt oder an ihren Arbeitsplätzen besucht werden.

Zur Begleitung durch die Fachkräfte

Wenn es in erster Linie darum gehen soll, Kindern einen erweiterten Handlungs- und Erkundungsspielraum zu geben, so erfordert die pädagogische Begleitung vor allem die Organisation günstiger Rahmenbedingungen. Dazu zählen sorgfältige Überlegungen bezüglich des Platzbedarfs und bestimmter Sicherheitsfragen ebenso wie die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis zu Ordnung und Unordnung innerhalb des pädagogischen Teams.

Wesentlich wichtiger als diverse physikalisch-naturkundliche Vorkenntnisse ist, dass die Betreuer/innen selbst Lust auf den Umgang mit Dingen, Stoffen, Materialversuchen und Werk-Experimenten haben. (....)

Die pädagogische Begleitung an sich ist vermutlich dort am wertvollsten, wo sie die anteilnehmende Beobachtung der Kinder in den Vordergrund stellt. Das schließt nicht aus, gelegentlich die eine oder andere Hilfestellung zu geben, unter Umständen einzugreifen, wenn ein Experiment den Kindern "über den Kopf zu wachsen" droht, – aber entscheidend erscheint eine Unterstützung durch Anerkennung, Fragen und Ermutigungen (Österreicher/Prokop, 1999, S. 7 ).

Durch ihre Haltung können die Fachkräfte das tätige Forschen und Experimentieren von Kindern entscheidend fördern. Kinder brauchen den Raum, eigene Erfahrungen zu machen. Zu frühes Eingreifen, zu schnelle Erklärungen brechen diesen Prozess des Suchens und Findens vorzeitig ab. Anregungen werden am besten in Form von Fragen gegeben, auf die die Kinder reagieren oder die sie auch übergehen können.

Etwas Anders ist es, wenn Kinder Fragen stellen. Sie sollten beantwortet werden, aber nicht in bloßen Erklärungen, sondern von anschaulichen Vorführungen oder medialen Anschauungsmaterial ergänzt werden. Wenn die Erzieherin überfragt ist, ist das deutlich zu zeigen. Dann kann sie mit den Kindern nach Wegen suchen, eine Antwort zu bekommen, indem sie das zum Beispiel zum Anlass für die Durchführung eines Experiments nimmt, das die Frage aufklärt, oder indem mit den Kindern Personen befragt werden, die sich damit auskennen.


11.10.2004