Gebildete Kindheit

Handbuch der Bildungsarbeit im Elementarbereich

Teil 3: Die Bildungsbereiche

 

3.6 Bildungsbereich Soziales Lernen, Kultur und Gesellschaft

In den Jahren, in denen die Kinder die Einrichtungen des Elementarbereichs besuchen, machen sie entscheidende Erfahrungen außerhalb der Privatsphäre des Elternhauses. Zugleich suchen sie das weitere Umfeld ihres Wohnbereichs zu erkunden und beginnen sich als Mitglieder einer größeren Gesellschaft wahrzunehmen.

3.6.1 Zur Geschichte sozialen Lernens

Die Einübung gesellschaftlich erwünschten sozialen Verhaltens gehörte quer durch die Geschichte zu den zentralen Aufgaben des Kindergartens.

Die Tradition der moralischen Erziehung

Anders als die Vorstellung von der glücklichen unbeschwerten Kinderzeit glauben machte, lebten Kinder nie in einem gesellschaftlichen Freiraum. Erziehung bedeutete stets, der nachwachsenden Generation die Werte und Haltungen zu vermitteln, die gesellschaftlich erwünscht und für richtig erachtet wurden. Und sie wurden bis ins 20. Jh. hinein auch in aller Strenge gegen Widerstände der Kinder durchgesetzt. Das gilt nicht anders für den Kindergarten in allen Phasen seiner Geschichte.

Neben der Versorgung der Kinder und der frühen Einübung in eintönige Beschäftigungen, die die Kinder auf spätere Fabrikarbeit vorbereiteten, stand in den "Kleinkindschulen" des 19. Jh.s die moralische Erziehung auf dem Stundenplan, die auf der Grundlage der zehn Gebote und des christlichen Katechismus erfolgte. Arbeitsamkeit und Folgsamkeit gehörte zu den obersten Zielen. Wenn im Fröbelschen Kindergarten dann Fertigkeiten und Wissen großes Gewicht erhielten, gehörte dazu auch die strikte Beachtung moralischer Normen der bürgerlichen Gesellschaft und die Förderung einer produktiven Arbeitshaltung. Das große Engagement der christlichen Kirchen im Bereich der Kleinkinderziehung war auch immer dadurch motiviert, bei den Kindern die Grundlagen christlicher Moral und christlicher Lebensführung zu sichern. In den nicht konfessionell gebundenen "Volkskindergärten" um 1900 ging es dann um allgemeiner gefasste Werte und Verhaltensnormen, die aus dem Wertekanon der erstarkenden Arbeiterbewegung stammten.

Neben moralischen Normen wurden immer wieder auch, mehr oder weniger offen, zu politisch erwünschten Einstellungen erzogen. In den Kindergärten des deutschen Kaiserreichs wurden insbesondere die Jungen früh auf kriegerische Werte ausgerichtet, spielten Soldaten und bekamen Kriegsspielzeug. Entsprechend versuchten die Nationalsozialisten schon in den Kindergärten ihre Konzepte von Blut und Rasse zu verbreiten und abweichende Wertnormen zu unterdrücken und begannen deshalb den karitativen Trägern die Verantwortung zu entziehen. In der sich formierenden DDR sollten die nun staatlich organisierten Einrichtungen der Tagesbetreuung neben dem Freisetzen weiblicher Arbeitskräfte vor allem auch dazu dienen, den im Sinne der neuen Gesellschaft schädlichen Einfluss der Elternhäuser zu begrenzen und von Anfang an Loyalität gegenüber der neuen Gesellschaftsordnung zu sichern.

Auch wenn sich die Normen und Wertmaßstäbe, zu denen Kinder in den Einrichtungen erzogen werden sollten, von Epoche zu Epoche fundamental unterscheiden konnten, blieben sie sich doch in einem Punkte gleich: Die gewünschten Verhaltensweisen und Werte wurden von den Erwachsenen eingefordert und meist in aller Strenge auch gegen die Kinder durchgesetzt. Darin offenbarte sich eine Vorstellung von Kindheit, die das Kind als ein Wesen betrachtete, dessen wilde und ungezähmte Natur beizeiten beschnitten und domestíziert werden muss, um aus ihm ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft zu machen, das im Rahmen der gegebenen Gesellschaftsordnung lebens- und arbeitsfähig sein würde. Die Forderungen der Gesellschaft waren vorgegeben, und selbst wenn diese Werte wie im Falle der Arbeiterbewegung nicht mit der herrschenden Gesellschaft übereinstimmten, wurden sie dem Kind als unbefragbare moralische Gesetze vermittelt. Kinder wurden, im Elternhaus wie im Kindergarten, an die von den Erwachsenen vertretenen Werte angepasst.

Soziales Lernen in den antiautoritären Kinderläden

Eine davon abweichende Auffassung tauchte in der deutschen Vorschulerziehung erst mit den Kinderläden der Studentenbewegung von 1968 auf und war gleichfalls gesellschaftspolitisch motiviert: Der Herausbildung "autoritärer Charaktere", die den willenlosen Vollzug der nationalsozialistischen Gräuel ermöglicht hatten, sollte schon in ihrer Entstehung entgegengearbeitet werden. "Antiautoritäre" Erziehung sollte verhindern, dass die Kinder Werte und Ansichten der Erwachsenen unbefragt übernehmen. Deshalb waren sie frühzeitig zu einer kritischen Einstellung gesellschaftlichen Normen und Vorschriften gegenüber zu erziehen. Von Kindesbeinen an sollten sie lernen, ihre emotionalen Bedürfnisse wahrzunehmen und auch gegen gesellschaftliche Verbote durchzusetzen. Zugleich suchte man ihnen so früh wie möglich einen kritischen Einblick in den Aufbau und die Organisation der Gesellschaft zu vermitteln, um sich gegen Fremdbestimmung zur Wehr setzen zu können. "Soziales Lernen" wurde nun zum entscheidenden Schlagwort der Erziehung.

Diese Ansätze stießen zunächst in der Öffentlichkeit der BRD auf fast einhellige Empörung. Man entsetzte sich über Tabubrüche wie das Herumschmieren in Matsch und Dreck, in dem Kinder ihre analen Bedürfnisse austoben durften. Noch mehr aber wurde den Kinderläden vorgeworfen, die Kinder "ideologisch zu indoktrinieren", indem sie im zarten Kindesalter mit gesellschaftlichen Problemen belastet würden. Es war das überkommene Bild der seligen und noch von gesellschaftlichen Konflikten befreiten Kindheit, das in Frage stand.

Man mag sich darüber streiten, ob die Art und Weise, wie gesellschaftliche Probleme in den Kinderläden thematisiert wurden, den Kindern angemessen war. Von heute aus betrachtet wurden in der antiautoritären Erziehung trotz der ständigen Berufung auf die Psychoanalyse die entwicklungsmäßigen Voraussetzungen kindlichen Lernens zu wenig berücksichtigt. Es bestand stets die Gefahr, dass Kinder die gelernten Sätze aus Liebe zu den erwachsenen Bezugspersonen nachplapperten, ohne sie zu verstehen, oder vor Entscheidungen gestellt wurden, die sie überforderten und deshalb verwirrten. Dennoch waren damit erstmals Themen angesprochen, die die überkommene Erziehung sprengten und die in den folgenden Jahren die Arbeit in den Einrichtungen stark veränderte.

Zwei Grundsätze pädagogischer Arbeit im Elementarbereich haben sich aufgrund der von den Kinderläden ausgelösten Diskussionen herauskristallisiert und sind weitgehend Allgemeingut geworden:

  • dass die Arbeit in den Einrichtungen von den Bedürfnissen, Interessen und Wünschen der Kinder auszugehen hat und
  • dass Kinder im Elementarbereich nicht aus der Gesellschaft auszugrenzen, sondern vielmehr im Rahmen ihres Verständnisses in die Gesellschaft einzuführen sind, dass sie lernen sollen, sich in der Gesellschaft zu bewegen und gesellschaftliche Zusammenhänge zu begreifen.

3.6.2 Rituale, Regeln und Moral

Normen sozialen Verhaltens und moralische Grundsätze können unter diesem Vorzeichen nicht mehr als unbefragbare Werte vorgegeben werden, die schlicht zu befolgen und bei Verletzung zu sanktionieren sind. Sie sind vielmehr auf ihre Bedeutung für das Zusammenleben hin zu befragen, als sinnvolle Regelungen zu begründen und einsehbar zu machen.

In der tradierten Erziehung wurde von den Kindern erwartet, alle von den Erwachsenen aufgestellten Regeln und Anweisungen zu befolgen. Regeln dienen jedoch unterschiedlichen Zielen und haben deshalb recht unterschiedliche Wertigkeit.

  • Es kann sich dabei um eingeschliffene Rituale handeln, die sich bewährt haben und gerne wiederholt werden.
  • Es kann sich um Abmachungen handeln, die das alltägliche Zusammenleben regeln und erleichtern.
  • Es kann sich um verbindliche Verhaltensweisen handeln, die den Einzelnen, und insbesondere die Schwächeren, vor Übergriffen schützen.
  • Es kann schließlich um höherwertige moralische Überzeugen gehen, die die Identität und die Selbstachtung begründen.

Von Routinehandlungen zur Regel

Schon Säuglinge beginnen, den regelhaften Ablauf sich wiederholender Handlungen zu registrieren und vorherzusehen. Sie wissen etwa, wie ein Frühstück abzulaufen hat oder was sie erwartet, sobald das Wasser in die Badewanne läuft. Die Regelhaftigkeit ergibt sich aus dem Vergleich der vielen ähnlichen Situationen, die in der Vorstellung gespeichert werden. Sie legen sozusagen die vielen im Einzelnen unterschiedlichen Situationen übereinander und extrahieren die für das jeweilige "Skript" typischen Elemente. Die Regel ist an diese Grundsituation gebunden und ergibt sich aus der wechselseitigen Koordination des Verhaltens zwischen den Beteiligten. Sie kann deshalb nicht auf davon abweichende Handlungssituationen übertragen werden.

Mit dem Spracherwerb kann das kindliche Verhalten über die sprachliche Anweisung beeinflusst werden. Das Kind, das sich einem heißen Ofen nähert und den erschrockenen Aufschrei der Mutter hört, hält inne und sieht sich sichernd nach ihr um. Es lernt, in seinem Verhalten die sprachlichen Äußerungen seiner Bezugspersonen und später auch von Gleichaltrigen zu berücksichtigen. Hat es den Aufschrei der Mutter vor dem heißen Ofen schon mehrmals gehört, wird es bald vor dem gefährlichen Objekt Halt machen und sich selbst kopfschüttelnd das Näherkommen verwehren. Es hat damit eine Regel verinnerlicht und gelernt, sein Verhalten nach sprachlichen Sätzen zu steuern.

Sobald Regeln sprachlich benannt werden, können sie sich von der vorgegebenen Handlungsfolge lösen und auf wechselnde Situationen und wechselnde Beteiligte übertragen werden. Dadurch erhalten sie über die jeweiligen Situationen hinaus allgemeine Gültigkeit. Sie können nun bei jeder Gelegenheit in Betracht gezogen und offen auf wechselnde Situationen angewendet werden, weil sie zu einer selbstverständlichen Maxime verinnerlicht wurden.

Moralische Prinzipien

Moralische Prinzipien unterscheiden sich von Absprachen und Regelungen dadurch, dass sie die Identität und das Selbstbild des Menschen tragen. Sie sind deshalb nicht mehr nach Bedarf abzusprechen, in Frage zu stellen oder zu ändern. Sie dürfen aber auch nicht einem Andern, der sie nicht teilt, abverlangt oder aufgedrängt werden, sondern sind als Teil der anderen Persönlichkeit anzuerkennen und zu tolerieren.

In ähnlicher Weise existieren auch gesellschaftliche oder religiöse Grundwerte, die im wesentlichen von allen Mitgliedern einer Gruppe, einer Gesellschaft oder einer Religionsgemeinschaft geteilt werden und Teil ihrer sozialen Identität geworden sind. Die gesellschaftlichen Grundwerte sind in Verfassungen oder übergeordneten juristischen Prinzipien niedergelegt, die religiösen Überzeugungen in den Glaubensbekenntnissen der einzelnen Religionen.

Kinder übernehmen moralische Grundeinstellungen zunächst über die Identifikation mit den ersten Bezugspersonen, deren Verhaltensweisen nachgeahmt und deren Sätze als Teil einer vorläufigen Identität übernommen werden. Die Psychoanalyse beschreibt diese Entwicklung als Bildung eines "Über-Ich" im Verlaufe des "Ödipuskomplexes", der von der Dreiecksituation in der bürgerlichen Kleinfamilie ausgeht. Zunehmend wachsen Kinder aber in anderen familiären Konstellationen auf, entwickeln jedoch in ähnlicher Weise prinzipielle Verhaltensmaximen. Die Übernahme moralischer Wertvorstellungen dürfte wohl überhaupt über eine enge und intensive Beziehung zu den primären Betreuern erfolgen und kann später von anderen Vorbildern ergänzt und erweitert werden. Moralische Grundsätze, die die kulturelle und religiöse Ausrichtung prägen, werden sehr wahrscheinlich schon in der frühen Eltern-Kind-Beziehung angelegt und beziehen von daher ihre unumstößliche und die Persönlichkeit stabilisierende Gültigkeit. Aber auch moralische Grundeinstellungen und Werte können abgewandelt und ausgetauscht werden, sei es durch veränderte Lebensumstände und ihre Verarbeitung oder auch durch plötzliche "Bekehrungen".

Anders als in Zeiten, in denen Kinder in ihrer Umgebung auf recht einheitliche moralische und religiöse Überzeugungen trafen und sie dann auch selbstverständlich übernahmen, sind Kinder heute schon im Kindergarten mit ganz unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Einstellungen konfrontiert. Um die eigenen Werte nicht über Abwehr und Fremdenfeindlichkeit zu sichern, müssen sie früh lernen, dass sich Menschen auch in ihren Werten und Einstellungen unterscheiden und dennoch miteinander auskommen können. Sie müssen die Anschauungen und Werte des andern als solche erkennen und anerkennen, sich davon zugleich in ihren eigenen Ansichten und Überzeugungen nicht verunsichern lassen.

Um Toleranz und die Fähigkeit zu lernen, Kompromisse einzugehen, müssen Kinder unterscheiden können zwischen ihren Spielregeln, den alltäglichen Regeln des Zusammenlebens und grundlegenden Werten.

Spielregel und soziales Verhalten

Flexibel mit Regeln umzugehen, schaffen Kinder zunächst im Spiel. Anders als die von Erwachsenen übernommenen Anweisungen werden hier die Regeln von den Kindern selbst gesetzt und im Interesse des Spiels freiwillig eingehalten. Beim offenen Spielen werden Spielfiktion und Spielhandlung von Fall zu Fall abgesprochen, bei Regelspielen sind die Spielenden mit festgelegten Regeln konfrontiert. Dennoch sind diese Regeln nicht wie im persönlichen Umgang durch erwachsene Autorität legitimiert und können offenbar früher und leichter in gemeinsamer Absprache abgewandelt werden.

Piaget hat in den 40er Jahren in Genf das kindliche Regelverhalten beim Murmelspiel untersucht, das damals noch auf allen Straßen gespielt und dessen Regelwerk noch ohne kommerzielle Spielvorgaben von einer Kindergeneration zur andern weitergegeben wurde. Interessanterweise unterschieden sich die Regeln von Stadtteil zu Stadtteil. Auf die Frage, wer die Regeln gemacht habe, antworteten die jüngsten Spieler, sie seien von Gott oder den Großen aufgestellt worden, führten sie also auf eine höhere Autorität zurück. Die etwas älteren Kinder bestanden darauf, dass richtig nur nach ihrer Regel gespielt werden könne, wussten aber, dass es auch andere Regeln gibt, während die älteren in der Lage waren, neue Regeln nach Bedarf gemeinsam abzusprechen und einzuhalten.

Zu beachten ist, dass diese Kinder sicher wenig Gelegenheit hatten, mit sozialen Umgangsformen zu experimentieren. Die von Piaget als quasi biologische Reifungsstadien angegebenen Altersstufen sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Wo Kindern frühzeitig Möglichkeiten der Entscheidung geboten werden, werden sie auch sehr viel früher in der Lage sein, sich über die Regeln ihres sozialen Umgangs abzustimmen.

Dennoch bleiben Regelbewusstsein und Regelabsprache auch von Alter und Entwicklung abhängig. Die mit dem Spracherwerb einsetzende Koordination des kindlichen Verhaltens verändert die Selbstwahrnehmung: Spätestens im Alter von etwa drei Jahren entwickeln Kinder ein starkes Wir-Bewusstsein: Sie sind bestrebt, alles genau so zu machen wie die anderen Kinder. Es ist die Zeit, in der sie protestieren, wenn Dinge auf andere als die gewohnte Weise gehandhabt werden, die Schuhe in anderer Reihenfolge geschnürt werden als üblich etc. Zugleich wehren sie sich dagegen, dass ein Gegenstand mit einem andern als dem gelernten Wort bezeichnet wird.

In den Jahren vor dem Schuleintritt beginnen sie sich zunehmend auch als ein Individuum wahrzunehmen, das sich in bestimmten Bereichen von den andern unterscheidet. Das Regelbewusstsein des Kindes wird dadurch flexibler, es kann nun auch besser Absprachen für das soziale Zusammenleben treffen und sie freiwillig einhalten.

Verständigung mit den Gleichaltrigen

Im Umgang mit vielen Gleichaltrigen machen die Kinder neue und wichtige soziale Erfahrungen, lernen sich gegenseitig abzustimmen, sich in andere einzufühlen und mit unterschiedlichen Erwartungen und Regeln umzugehen.

Zunächst stellt das aber auch große Anforderungen. Eltern oder andere enge Bezugspersonen haben bislang in einer Weise mit ihnen kommuniziert, die es ihnen leicht machte, ihre Bedürfnisse und Gefühle in die Begegnung einzubringen und zu realisieren. Im Umgang mit den Gleichaltrigen müssen sie nun lernen, ihre Perspektiven aufeinander abzustimmen, und das gelingt nicht auf Anhieb. Erschwert wird das noch dadurch, dass viele Kinder zu Hause keine Geschwister mehr haben und erst mit dem Eintritt in den Kindergarten mit andern Kindern in intensiveren Kontakt treten. Dazu kommt, dass Kinder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft oft gegensätzliche Verhaltensweisen und Einstellungen mitbringen, die im Kindergarten aufeinanderstoßen und ausgeglichen werden müssen. Sie sind nun erstmals mit den Ansprüchen anderer Kinder konfrontiert und müssen lernen, sich mit ihnen zu verständigen. Auseinandersetzungen und Streit sind dabei unvermeidlich.

Aber auch wenn sie sich zu Hause mit Geschwistern und Nachbarskindern arrangieren mussten, müssen sie damit klar kommen, dass in der Einrichtung andere Regeln gelten als im familiären Umfeld. Die Kinder müssen lernen, sich nach den Regeln zu richten, die im jeweiligen Lebensbereich gelten, auch wenn sie stark voneinander abweichen können. Im allgemeinen können sich Kinder meist rasch darauf einstellen. Allerdings müssen die in der Einrichtung geltenden Regeln klar und unmissverständlich mitgeteilt werden.

Altersmischung

Um sozialen Umgang und soziale Kompetenzen zu fördern bietet die altergemischte Gruppe bessere Voraussetzungen als die altershomogene Kindergruppe. Die Vorteile:

  • Es entsteht eine Situation, die sich an die klassische Geschwisterreihe in der Familie annähert, aber die die Kinder zu Hause meist nicht mehr vorfinden.
  • Die jüngeren Kinder erhalten stärkere Anregung durch die älteren, richten sich an dem aus, was die andern schon können, und wollen es ihnen gleichtun.
  • Die älteren Kinder lernen Rücksicht und Hilfsbereitschaft den Kleineren gegenüber zu üben. Zugleich wird ihr Selbstbewusstsein durch das, was sie schon können, gestärkt.

Die sogenannte "kleine Altersmischung" (Kinder von 3-6 Jahren) hat sich weitgehend durchgesetzt. Die "große Altersmischung" (Kinder von 2-10 Jahren) wird selten praktiziert, da die Kindergärten (zumindest im Westen) erst vom dritten Lebensjahr an Kinder aufnehmen und nicht selbstverständlich auch Krippen und Horte führen. Diese weitgespannte Altersmischung bringt für den Umgang der Kinder untereinander weitere Vorteile. Allerdings können Kinder so unterschiedlichen Alters nicht ständig in eine feste Gruppe eingebunden werden. Zumindest die große Altersmischung muss deshalb mit offener Arbeit verbunden werden, bei der differenzierte und auf die Interessen der verschiedenen Altersstufen abgestellte Angebote gemacht werden können. Für Bildungsangebote kann es je nach Thema sinnvoller sein, zeitweise in altershomogenen Gruppen zu arbeiten.

Vorteile und Probleme der weiten Altersmischung

Aufgrund der weiten Altermischung lernen die jüngeren Kinder mehr von den älteren als in Krippe, Kindergarten und Hort. Letztere sind in ihrer kognitiven, motorischen, sozialen und Sprachentwicklung weit fortgeschritten, so dass erstere auf dem Wege des Modellernens von ihnen profitieren. Die jüngeren Kinder können die älteren leichter nachahmen, da deren Verhalten weniger komplex als das der Erwachsenen ist. Hinzu kommt, dass Lernerfolge von den älteren Kindern verstärkt werden. Diese leiten auch das Spiel der jüngeren an, geben Spielideen, Beschäftigungen und eine Fülle anderer Anregungen an sie weiter. Immer wieder kann beobachtet werden, dass jüngere mit etwas älteren Kindern spielen wollen, da das Spiel mit einem erfahreneren Partner in der Regel interessanter und abwechslungsreicher ist. Auch konfrontieren ältere Kinder die jüngeren mit Situationen, Themen und Gegenständen, denen letztere in Regeleinrichtungen nicht begegnen würden. (...)

Es profitieren jedoch nicht nur die jüngeren Kinder von der weiten Altersmischung, sondern auch die älteren: Sie "lernen durch Lehren", wenn sie den andern etwas erklären oder vormachen und dabei ihre Kenntnisse vertiefen und Fertigkeiten verbessern. Zugleich gewinnen sie an Selbstvertrauen. Auch führt die Anwesenheit kleinerer und schwächerer Kinder dazu, dass die älteren soziale Verhaltensweisen wie Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen entwickeln. Schließlich werden sie durch den Körperkontakt mit Kleinkindern emotional bereichert und lernen, wie man auf deren Bedürfnisse – und diejenigen von Säuglingen – reagiert. (....)

So ganz unproblematisch ist aber das Zusammenleben in altersgemischten Gruppen nicht. Insbesondere die älteren Kinder wollen oft ungestört bleiben, sich untereinander austauschen. Ähnliches gilt für Kleinkinder, die sich wehren, wenn Kleinstkinder stören oder Geschaffenes kaputtmachen. So müssen die jüngeren Kinder lernen, dass die älteren nicht ständig Rücksicht auf sie nehmen und mit ihnen spielen wollen, sondern dass sie häufig ihre Ruhe haben möchten. Dies bedeutet auch, dass in weit altersgemischten Gruppen Rückzugsmöglichkeiten für die älteren Kinder geschaffen werden müssen (Textor 1998, S. 9/10).

Absprachen treffen

Im Kindergartenalltag kann das Bewusstsein, dass Regeln auf Vereinbarungen zwischen Menschen beruhen, auf verschiedene Weisen gefördert werden:

  • Einmal indem man eigene Spiele und ihre Regeln erfindet und mit den Kindern danach spielt.
  • Zweitens indem die Kinder immer auch an Entscheidungen beteiligt werden, und Rituale der Abstimmung eingeführt werden. Die Abstimmung hat dann aber sehr klare Alternativen vorzuführen und die getroffene Entscheidung muss respektiert werden.

Gemeinsam entschieden werden sollten insbesondere:

  • Regeln, die für das Zusammenleben in der Einrichtung gelten sollen,
  • Themen für und das Vorgehen bei Projekten oder Vorhaben wie Exkursionen und Feste.
Über das Aufstellen von Regeln

Es gibt erfahrungsgemäß Regeln, die sind aus unserer Sicht zwar sinnvoll, aber beim besten Willen dennoch für Kinder nicht nachvollziehbar (z.B. Aufräumen). Was tun? Endlose Reden halten, sich ärgern, gegen eigene Prinzipien verstoßen, sich noch mehr ärgern??? Nein. Es kann nicht immer und ausnahmslos darum gehen, furchtbar partnerschaftlich und demokratisch zu sein. Manchmal sehen wir keinen andern Weg, als auch einfach mal zu bestimmen, ohne uns gleich schlecht zu fühlen. Wichtig ist dabei, klar und eindeutig zu sein, die Position des "Bestimmers" offen zu übernehmen, nicht rumzueiern und vor allem wirklich gute, stichaltige Gründe für dieses Vorgehen zu haben.

Ansonsten versuchen wir, folgendes im Auge zu behalten: Die Funktion von Regeln besteht nicht im Ausspielen der Erwachsenenmacht, nicht in der Disziplinierung von Kindern, es geht nicht darum, dass die Kinder lernen, sich anzupassen und unterzuordnen, sondern:

  • Regeln müssen (für die Kinder) einen Sinn machen.
  • Regeln dienen dazu, das Zusammenleben zu erleichtern.
  • Regeln sind Kompromisse, die zwischen verschiedenen Interessengruppen geschlossen werden.
  • Regeln sind Resultate von Verabredungen; wer an der Verabredung nicht beteiligt war, wird die Regel vielleicht als aufgesetzt empfinden und nicht einsehen können.
  • Wer eine Regel nicht einsehen kann, wird diese unter Umständen nur unter Druck einhalten, daraus folgt: Möglichst alle, die von den Regeln betroffen sind, an deren Verabredung beteiligen, das macht das Zusammenleben leichter.
  • Bei häufigen Regelverstößen sollte die Sinnhaftigkeit noch einmal überprüft werden.

Haben wir trotz fehlender Einsicht und Zustimmung der Kinder Regeln aufgestellt, die unserer Erfahrung nach sinnvoll und notwendig sind, so müssen wir dies offen und eindeutig vertreten. Immer sollte von vorneherein klar sein, was bei Regelverstößen passiert (mit den Kindern gemeinsam besprechen), so ist es möglich, die Kinder mit den Konsequenzen ihres Handelns zu konfrontieren, ohne dass sie dies als ungerecht empfinden müssen (Lill 1998, S. 259/60).

Die Beteiligung von Kindern ist kein sozialer Schnickschnack, sondern hat sehr handfeste Rückwirkungen auf die Arbeit. Regeln, die gemeinsam gefunden wurden, werden von Kindern leichter und selbstverständlicher auch eingehalten. Das gemeinsame Beschließen übt demokratische Umgangsformen ein und stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Ganz nebenbei ergibt sich auch ein starker Sprechanlass.

Längerfristige Projekte sind kaum ohne Beteiligung an der Planung durchzuführen. Schon die Themenwahl sollte nicht ohne Abstimmung mit den Kindern erfolgen, sondern aus einer Diskussion über ihre Vorlieben und Interessen hervorgehen. Über die Besprechung bekommen die Fachkräfte die Themenwünsche von Kindern mit und können das Vorgehen daran ausrichten.

Bei gemeinsam beschlossenen Aktivitäten wird es wahrscheinlicher, dass sie mit Begeisterung und Ausdauer verfolgt werden. Damit steigen die Erfolgsaussichten. Auch während der Durchführung müssen die Kinder immer wieder einbezogen werden, um ihr Interesse aufrecht zu erhalten bzw. neue Wege einzuschlagen.

Um Absprachen oder Entscheidungen zu fassen, brauchen Kinder allerdings die Unterstützung durch die Fachkräfte.

Voraussetzungen für die Beteiligung von Kindern:
  • Wir sollten bedenken: Mitbestimmung will gelernt sein.
  • Daraus folgt: Beteiligung der Kinder darf keine einmalige Aktion bleiben, regelmäßige systematische Erhebung von Kinderwünschen und Auswahlverfahren müssen zum Alltag gehören, für alle selbstverständlich sein und zur Gewohnheit werden.
  • Kinderwünsche und -ideen aufschreiben oder in anderer Form sichtbar und nachvollziehbar festhalten.
  • Die Wünsche und Vorstellungen der Kinder auch wirklich berücksichtigen, ernstnehmen und einbeziehen und es nicht beim Aufschreiben belassen (sonst "April, April..").
  • Es muß deutlich werden, wie letztlich die Entscheidung zustande kommt. Mehrheitsentscheidung oder auch mal im Gegenteil eine Minderheitsentscheidung – wie auch immer, die Begründung für die jeweilige Art der Entscheidungsfindung sollte von den Kindern nachvollziehbar sein und akzeptiert werden können.

Geduld ist die Devise, erst einmal Erfahrungen sammeln bzw sammeln lassen und nicht von Anfang an sofort reibungslosen Parlamentarismus erwarten (Lill 1998, S. 93).

Partizipation von Kindern wird sich desto selbstverständlicher einspielen, je häufiger sie praktiziert wird. Bewährt haben sich regelmäßige "Kinderkonferenzen". Sie können innerhalb einer Gruppe im Rahmen des Morgenkreises oder auch mit einer gruppenübergreifenden Beteiligung zu festgelegten Terminen angesetzt werden. Wo die Kinder an diese Beteiligungen gewöhnt sind, wird es auch möglich, Konferenzen nach Bedarf einzuberufen, wenn eine wichtige Entscheidung ansteht.

Es erübrigt sich fast, zu sagen, dass solche Formen der Beteiligung gelebte Demokratie darstellen und mehr zu einer demokratischen Einstellung beitragen können als eine Menge staatsbürgerlicher Unterricht.

Erika Kazemi-Veisari: Partizipation. Hier entscheiden Kinder mit, Freiburg 1998

Warum Kinder früh in der Lage sind, mitzuentscheiden, wie sie lernen, sich spielerisch auseinanderzusetzen und dabei die Grundregeln von Demokratie einüben.

Lothar Klein: Mit Kindern Regeln finden, Freiburg 2000

Verfahren, wie Regelungen mit Beteiligung der Kinder gefunden werden können. Mit vielen praktischen Beispielen

Zum Umgang mit Aggressionen

Aber auch die Beteiligung der Kinder an Entscheidungen und Regelungen kann kaum verhindern, dass sich einzelne Kinder nicht an Absprachen halten oder dass abgesprochene Umgangsweisen verletzt werden. Bei Streit und Interessenskonflikten kommt es unweigerlich auch immer wieder zu Aggressionen zwischen den Kindern, die entweder über Beschimpfungen oder handgreiflich ausgetragen werden. Sie werden sich auch gelegentlich gegen die Erzieherinnen richten.

Aggressionen sind nicht an und für sich verwerflich, sondern ein normaler Ausdruck von Wut oder Selbstverteidigung. In vielen Fällen schaffen es die Kinder, unter sich mit aggressiven Ausfällen zurechtzukommen. Die Grenze ist dort erreicht, wo andere Kinder in herabsetzender Weise beleidigt oder körperlich verletzt werden und die Fachkräfte deshalb dazwischengehen müssen.

  • Zunächst ist darauf zu achten, ob es sich um einen aus der Situation entstandenen Ausbruch handelt oder ob ein Kind latent aggressiv ist und ständig mit Aggressionen reagiert. In diesem Fall ist nach den Ursachen zu fragen. Gerade diese Kinder sollten immer wieder Gelegenheiten bekommen, ihre Aggressivität an Gegenständen und in Spielen auszutoben, die niemanden schädigen.
  • Zweitens ist zu beobachten, wie die Kinder reagieren, die Aggression erleiden. Sind sie in der Lage, sich zur Wehr zu setzen oder geben sie erschrocken klein bei? Im allgemeinen sind es eher die Jungen, die aggressiv reagieren, und die Mädchen, die nachgeben. Mädchen sollten darum bestärkt werden, sich zu wehren. Ähnliches gilt für Kleinere im Umgang mit den Größeren.

Insgesamt ist den Kindern zuzugestehen, dass sie auch im Umgang mit Wut und Feindseligkeit ihre Lernprozesse durchmachen müssen. Wenn Zwei- oder Dreijährige, die bislang ohne Geschwister aufgewachsen sind, beißen, kratzen, um sich treten und dergleichen, ist das fast normal und kein bedenkliches Verhalten. Wenn sie mit sechs immer noch nicht gelernt haben, sich mit anderen zu verständigen und nur mit körperlicher Aggressivität zu reagieren verstehen, kann das ein Anlass sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Kindliche Aggressionen drohen, insbesondere wenn sie sich auch gegen die Fachkräfte richten, deren Bedürfnis nach friedlichem Zusammenleben und Harmonie zwischen und mit den Kindern zu stören. Es ist deshalb wichtig, sich zu fragen, warum Ausfälle einzelner Kinder unter die Haut gehen. Dahinter kann sich die eigene Angst vor Aggressivität und die Unfähigkeit verbergen, damit umzugehen. Die Fachkräfte müssen bei aggressivem Verhalten von Kindern ihre eigenen Gefühle einschätzen und berücksichtigen lernen. In vielen Fällen ist es hilfreich, die eigene Wut den Kindern in spielerischer Form zum Ausdruck zu bringen. Darüber können die Kinder erfahren, was in den Erwachsenen vorgeht, ohne dass sie sich selbst bedroht fühlen.

Konflikte lösen

Während die gemeinsame Abstimmung im Spiel schon recht gut gelingt, werden im alltäglichen Umgang immer wieder Konflikte und handgreifliche Auseinandersetzungen auftreten, in die die Fachkräfte eingreifen und die sie zu schlichten haben. Es ist wichtig, dass sie dabei deutlich machen, von welcher Position aus sie das tun.

Es ist durchaus berechtigt, wenn sie sich auf ihre Autorität berufen und die Entscheidung treffen, die sie für richtig halten. Sie sollten sie dann aber auch begründen und damit sichtbar machen, warum sie so entschieden haben. Das gilt insbesondere dort, wo moralische Werte ins Spiel kommen. Wenn ein Kind im Streit verletzt zu werden droht, wird die Erzieherin selbstverständlich eingreifen und die Auseinandersetzung beenden. Aber auch wo ihre eigenen Überzeugungen in Frage stehen, muss sie das nicht verstecken, nur sollten ihre Motive zur Sprache gebracht werden. Es ist entscheidend wichtig, dass Kinder die Gründe für das Verhalten von Erwachsenen durchschauen können.

Ebenso wichtig jedoch ist, dass Kinder lernen, Auseinandersetzungen in gemeinsamer Aussprache zu regeln. Es schmälert die Wirkung gemeinsamer Konfliktregelung kaum, dass das im Alltag der Einrichtung immer nur von Fall zu Fall möglich sein wird. Solche Konfliktregelungen haben exemplarische Wirkungen. Sie sind möglichst nach einem festen Ritual vorzunehmen, an das sich die Kinder gewöhnen und in dem sie ihre Rollen einzunehmen wissen.

Es empfiehlt sich, die Rollen der Beteiligten durch die Sitzordnung zu verdeutlichen: der Leiter der Sitzung, die Kontrahenten, die Beobachter sowie die übrigen Kinder der Gruppe, die zur Mitarbeit aufgefordert werden.

Wichtig ist, dass der oder die Störer die Gelegenheit bekommen, ausführlich zu berichten. Die Fähigkeit, auf Mitmenschen Rücksicht zu nehmen, deren Bedürfnisse und Absichten zu beachten und zu akzeptieren, setzt die Erfahrung voraus, dass auch die eigene Person beachtet wird, die eigenen Bedürfnisse und Absichten berücksichtigt werden. In jedem Fall sind neben den Konfliktparteien auch neutrale Beobachter zu hören. Der Leiter sollte ausführlich nach den Motiven und Gefühlen der Kontrahenten fragen.

Danach werden nacheinander die Konfliktpartner sowie die übrigen Kinder nach Lösungsvorschlägen befragt. Können sie sich auf eine Lösung einigen, sollte sie angenommen werden. Können sie sich mit keiner vorgeschlagenen Lösung einverstanden erklären, entscheidet die Fachkraft oder die Mehrheit der Kinder. Wer die letzte Entscheidung hat, muss schon im Vorfeld festgelegt werden.

Zum Umgang mit moralischen Werten

Größere Hürden für die Partizipation und Konfliktregelung stellen grundsätzliche Wertvorstellungen und moralische Überzeugungen, die sich nicht ohne weiteres einer Mehrheitsentscheidung unterwerfen lassen. Die Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass sich grundsätzliche Werthaltungen oft gegenseitig ausschließen und die Betroffenen nicht von ihren Einstellungen abgehen können. Das kann das Verbot für Mädchen aus muslimischen Elternhäusern betreffen, an Ausflügen mit den Jungen teilzunehmen, was nach Überzeugung der Fachkräfte gegen eine freie und gedeihliche Entfaltung dieser Mädchen verstößt. Oder es können sich Eltern über biblische Geschichten beschweren, die den Kindern vorzuenthalten eine Erzieherin für unverantwortlich hält. Selbstverständlich sollte dann eine Klärung zwischen den verschiedenen Positionen gesucht werden. Wo keine Übereinkunft gefunden werden kann, sollten die unterschiedlichen Positionen respektiert und vor allem auch den Kindern gegenüber offen gelegt werden.

Wenn ihnen in anderen Bereichen ausreichend Entscheidungsspielraum zugestanden wird, sind Kinder durchaus in der Lage, sich nach Vorgaben zu richten, die Erwachsene von ihnen erwarten, ohne dass sie das belastet. Das Wissen, dass sie in einer widersprüchlichen Welt leben, dass auch zwischen den Großen nicht überall Zusammenhalt und Harmonie herrscht, ist eine wichtige Erfahrung. Sie wird erst dort bedrohlich, wo die eigene Sicherheit und das Selbstbild in Mitleidenschaft gezogen wird. So suchen Kinder auch dann noch an ihrer Familie festzuhalten, wenn die Eltern längst im Streit auseinandergegangen sind. Oder sie lassen sich von Werten und Einstellungen nicht abbringen, die sie von den geliebten Bezugspersonen übernommen haben und die deshalb emotional stark besetzt sind. Wenn sie in weniger besetzten Bereichen lernen können, sich selbst zu entscheiden, werden sie früher oder später auch eigenständige Überzeugungen entwickeln.

Sehr viel bedenklicher wirkt sich falsche Harmonie und Verschwiegenheit aus. Insofern ist die ehrliche Überzeugung von Erwachsenen, die den Kindern ihre Werthaltungen deutlich machen, für Kinder hilfreicher als die Unsicherheit mancher Eltern, die dazu führt, dass kaum verpflichtende Werte vorgelebt werden. Den Kindern fehlen dann verbindliche Vorgaben, an denen sie sich abarbeiten können.

Religiöse Früherziehung?

Diese ehrliche, aber auch offene Haltung der Fachkräfte kann auch zur Leitlinie dienen, wenn es um religiöse Überzeugungen geht. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Sinnfragen, die Kinder gerade in diesem Alter stellen, und den Antworten, die Erwachsene aufgrund ihrer religiösen oder weltanschaulichen Einstellungen darauf geben.

Mit der zunehmenden Bewusstwerdung und Selbstwahrnehmung, die Kinder in den Jahren durchmachen, die sie die Einrichtungen besuchen, wird ihnen auch die eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit bewusst. Sie verstehen nun, dass ihr Leben einen Anfang hat, aber auch ein Ende, und beginnen, je mehr sich ihre Zeitwahrnehmung entwickelt, sich zu fragen, wer und wo sie vor dem Leben waren, und was nach dem Tod geschieht.

Es sind eben die Fragen, die alle Religionen und selbst noch atheistische Weltanschauungen zu beantworten suchen, und denen sie letzten Endes ihre Existenz und Bedeutung verdanken. Die Antworten, die sie darauf geben, fallen recht unterschiedlich aus, und dennoch können sie den Menschen, die sie annehmen und an sie "glauben", einen tieferen Sinn vermitteln, Halt und Sicherheit geben. Das ist aber eine persönliche Erfahrung, die jeder Mensch für sich selbst machen muss, und die anderen allenfalls angeboten werden kann.

Kinder äußern mit ihren Fragen durchaus Bedürfnisse nach tieferer Sinngebung. Die Antworten, die Erwachsene auf kindliche Fragen nach dem Woher und Wohin des Lebens geben, werden nicht die letzten Wahrheiten näher bringen, sondern das, was die Erwachsenen für die letzten Wahrheiten halten, was ihrem Leben Sinn und über den Tod reichende Bedeutung verleiht. Sie sind deshalb Kindern auch als Überzeugungen des Erwachsenen mitzuteilen und damit als Angebote für die eigene Sinnfindung und nicht als die einzig gültige Wahrheit.

Diese Sinnfindung wird unterstützt, indem Kinder daran gewöhnt werden, ihre Aufmerksamkeit zeitweise auf ihre inneren Wahrnehmungen zu lenken. Indem ihnen Formen angeboten werden, die das ermöglichen, können sie dieser Schicht ihrer Person gewahr werden und Ruhepunkte finden. Das kann gleichermaßen durch kindgemäße Meditationen wie die christliche Form des Gebets erreicht werden, sofern es sich nicht auf die Gewährung persönlicher Wünsche beschränkt.

Es wird von den Religionspädagogen kaum beachtet, dass sehr viele Kinder Zustände kennen, die in der religiösen Terminologie als "mystisch" bezeichnet werden: Gefühle des Einswerdens mit anderen Menschen, mit Tieren, mit der ganzen Natur. Es sind Erfahrungen, die die meditativen Traditionen aller Religionen auf verschiedenen Wegen zu erreichen suchen. Es sind Zustände der Entgrenzung und Überschreitung der isolierten individuellen Existenz. Die Wurzel solcher "veränderten Bewusstseinszustände" scheinen in der vorgeburtlichen Lebenszeit zu liegen, in der das ungeborene Kind seine Körpergrenzen noch kaum wahrnehmen konnte. Kinder stehen dieser Lebenszeit noch näher und scheinen darum auch spontan und ohne meditative Übungen in solche Bewusstseinszustände zu verfallen.

Alle Religiosität wurzelt in dieser tiefen Schicht der menschlichen Persönlichkeit. Indem sie als Teil menschlichen Lebens akzeptiert wird und kindlichen Aüßerungen, die sie ansprechen, ernst genommen werden, werden religiöse Bedürfnisse der Kinder gefördert und unterstützt. Sie auf die Vorstellungen einer Religion oder eines Bekenntnisses einzuengen, droht, jedenfalls auf längere Sicht, das religiöse Erleben ebenso zu behindern, wie wenn sie als Unsinn abgetan werden.

Wo es dagegen um menschliches und gesellschaftliches Verhalten geht, wird das sehr viel sinnvoller begründet als Übereinkunft für das menschliche Zusammenleben, und nicht als höheres Gebot, das man nicht übertreten darf, weil uns oben vom Himmel eine höhere Macht beobachtet und bestraft.

3.6.3 Leben mit Unterschieden

In ihren Tätigkeiten, ihren Spielen und ihrem Umgang mit andern Menschen bilden Kinder ein sich allmählich verfestigendes Selbstbild aus. Nur eine sichere und verlässliche Selbstwahrnehmung ermöglicht, dass sie sich ohne Angst, die eigene Sicherheit zu verlieren, in die Anderen einfühlen, sich ihnen mitteilen und deren Mitteilungen aufnehmen können.

Mit dem Eintritt in den Kindergarten werden Kinder mit Anforderungen und Verhaltensweisen konfrontiert, die die relativ klaren und überschaubaren Erwartungen in den Elternhäusern sprengen und oft genug dem widersprechen, was zu Hause selbstverständlich war und für richtig gehalten wurde. Sie müssen lernen, die unterschiedlichen Erwartungen zu erkennen, sie den Personen zuzuordnen, mit denen sie zu tun haben, sie je nach der Situation richtig einzuschätzen, und dabei ihren eigenen Interessen und Wünschen Geltung zu verschaffen.

Das heikle Thema kindlicher Sexualität

Ein sensibles Thema, das unweigerlich tief verankerte emotionale Werthaltungen berührt und daher zu schwer lösbaren Konflikten führen kann, sind Einstellungen zur kindlichen Sexualität und den daraus abgeleiteten Rollenbildern, die Mädchen und Jungen zugeschrieben werden.

Zwar haben sich insgesamt die Einstellungen zur Sexualität liberalisiert, sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen werden von vielen Eltern als normal betrachtet, oder wenigstens geduldet. Auf der anderen Seite haben sich Öffentlichkeit und Medien in einer Weise sexualisiert und verbreiten ungehindert rigide Rollenbilder, reduzieren Frauen auf ihre sexuelle Attraktivität und preisen Gewalttätigkeit und Gefühllosigkeit als genuin männliche Eigenschaften an. Und diese zweifelhaften Vorbilder springen Kindern von jeder Plakatwand und vor jedem Zeitungskiosk in die Augen, und Fernsehsender sichern sich ihr Publikum mit endlosen Erörterungen zum Thema.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses gelockerten Umgangs führen sexuelle Regungen von Kindern noch immer zu aufgeregten Debatten, vor allem wenn sie in einer pädagogischen Einrichtung gezeigt und toleriert werden. Im Kindergarten wird der Umgang damit noch dadurch erschwert, dass der steigende Anteil an Migrantenkindern aufgrund ihrer Herkunft häufig mit Rollenvorstellungen und Schamgrenzen in die Einrichtungen kommen, die vom deutschen Durchschnitt abweichen. Erzieherinnen drohen dabei zwischen den verschiedenen Ansprüchen aufgerieben zu werden.

Kinder sind weder asexuelle Wesen, wie sie im Bild des unschuldigen Kindes gezeichnet wurden, noch sind sie unverdorbene Wesen, die ihre Triebe spontan und lustvoll auszuleben wissen. Wie weit sie ihrer Neugier nachgehen, den eigenen Körper und den des andern Geschlechts zu erkunden wagen, hängt von den Einstellungen und Reaktionen der Erwachsenen ab. Die Erwachsenen riskieren aber, die Motive des Kindes falsch zu verstehen: Kindliche Sexualität unterscheidet sich von der Sexualität der Erwachsenen. Die sexuellen Handlungen von Kindern sind auf lustvolles Körperempfinden gerichtet. Im Erwachsenen kann das die eigenen, auf genitale Befriedigung gerichteten Wünsche aktivieren, die gleichzeitig über eine erschreckte Reaktion dem Kind gegenüber abgewehrt werden. Oder es ist gerade diese "naive Lust" des Kindes, die zu Abwehrreaktionen der Erwachsenen führt, weil sie selbst sich diese spontanen Spiele mit den körperlichen Empfindungen kaum mehr erlauben. Das führt dann dazu, dass es als lebensfroh empfunden wird, wenn ein Kind sich genüsslich den Bauch streichelt. Wenn dasselbe Kind mit seinen Genitalien spielt, gerät der Erwachsene in Verlegenheit.

Diese zwiespältigen Reaktionen werden kaum zu vermeiden sein. Die Fachkräfte müssen sich bemühen, einen gangbaren Mittelweg zwischen den eigenen Gefühlen und einer positiven Einstellung zur kindlichen Sexualität zu finden. Krampfhaftes Übersehen ist sicher so wenig angebracht wie Verbieten, da beides den Kindern signalisiert, sie würden etwas Unerlaubtes tun. Eine gewährende Haltung, die sich nicht in die geheimen Spiele einmischt, es sei denn die Kinder bringen es selbst zur Sprache, ist wohl eine angemessene Einstellung. Und natürlich brauchen die von Kindern geübten "Doktorspiele" verschwiegene Ecken, in denen Kinder unbeobachtet ihrer Neugier nachgehen dürfen.

Der schwierige Umgang mit den Geschlechtsrollen

Beim Eintritt in den Kindergarten glauben die meisten Kinder, sie könnten ihr Geschlecht noch wechseln. Die Einsicht, dass man als Mädchen oder Junge durchs Leben gehen wird, führt dazu, dass die Kinder sich nun mit Haut und Haar über ihre Geschlechtsrolle definieren und die von ihrer Umgebung vorgelebten Vorbilder übernehmen. Es sind zunächst die elterlichen Vorbilder, die die Kinder peinlich genau nachzuahmen und an denen sie rigide festzuhalten suchen. Das ganze Verhalten wird nach diesen Rollenzuweisungen ausgerichtet: Jungen und Mädchen grenzen sich voneinander ab, die Jungen spielen mit Konstruktionsspielzeug und Autos, ballern mit Spielzeugpistolen um sich, sind laut und toben. Mädchen dagegen spielen in der Puppenecke, ziehen ihre Barbies um, schminken und verkleiden sich. Und beide bringen die Fachkräfte schier zur Verzweiflung, die diese eindeutigen Rollenzuweisungen bedenklich finden und doch nicht recht dagegen ankommen.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Kinder in dieser Phase die Zuordnung zu einer eindeutigen Geschlechtsrolle brauchen, auch wenn sie nicht unbedingt so aussehen muss, wie sie das aufgrund der privaten und öffentlichen Vorbilder tut. Die Auflösung rigider Geschlechtsrollen kann erst dann einsetzen, wenn die eigene Identität und das eigene Selbstbild gesichert sind und dadurch nicht mehr in Gefahr gerät. Problematisch ist deshalb nicht der fünfjährige Junge, der sich wie ein kleiner Macho aufführt, sondern der 20-jährige, der davon noch immer nicht loskommt.

Da Kinder in diesem Alter klare Rollenzuweisungen zum Aufbau ihres Selbstbildes brauchen, können sprachliche Zurechtweisungen (wie "Ein Junge darf doch auch weinen" oder "Ein Mädchen kann das genauso gut") wenig bewirken. Sie bedrohen die frisch erworbene Identität und werden deshalb überhört.

Statt sprachlicher Zurechtweisungen erscheint es sinnvoller den Kindern alternative Verhaltensweisen vorzuleben (indem Erzieherinnen z.B. auch "männliche" Tätigkeiten beherrschen und ausführen). Sie werden sicher nicht auf der Stelle wirken, zeigen ihnen aber doch, dass andere Zuordnungen möglich und denkbar sind. Wenn die Kinder sich wundern, kann darüber gesprochen werden, dass Frauen und Männer verschieden sind, aber dass eine Frau vieles genauso gut kann, was sonst Männern vorbehalten wird, und umgekehrt.

Denn entscheidend ist für die Kinder, dass sie in ihrer Geschlechtszugehörigkeit bestärkt werden, ohne dass ihre Neugier und ihr Handlungsspielraum durch ein eng gefasstes Rollenbild eingeschränkt wird. Darum ist auch überall dort einzugreifen, wo aus der Geschlechtsrolle ungleiche Rechte abgeleitet werden, beispielsweise Jungen das Decken des Frühstückstisches oder das Abwaschen als "Mädchenarbeit" verweigern.

Margarete Blank-Mathieu: Kleiner Unterschied – große Folgen? Geschlechtsbewußte Erziehung in der Kita, Freiburg 1997

Entwicklung der Geschlechtsidentität, geschlechtsbezogenes Lernen im Kindergarten und Wege zur Veränderung

Petra Focks: Starke Mädchen, starke Jungs. Leitfaden für eine geschlechtsbewußte Pädagogik, Freiburg 2002

Darstellung der Geschlechterverhältnisses in unserer Kultur und pädagogische Vorschläge zur Erweiterung des Rollenverhaltens von Mädchen und Jungen.

Männliche Erzieher?

Im Sinne einer Erziehung zu einem flexibleren Umgang mit den Geschlechtsrollen wäre es dringend nötig, mehr männliche Mitarbeiter in den Einrichtungen anzustellen und damit auch den Jungen Vorbilder anzubieten. Es ist ein Skandal, dass Kinder bis ins Grundschulalter in pädagogischen Einrichtungen fast nur mit Frauen zu tun haben, eine Situation die noch dadurch verschärft wird, dass es für viele Kinder auch zu Hause keine verlässlichen männlichen Vertrauenspersonen (Vater, Freund der Mutter oder Nachbarn etc) gibt.

Der Mangel an männlichen Vorbildern kann dazu führen,

  • dass sich die Jungen immer nur negativ durch die Ausgrenzung von den weiblichen Vorbildern definieren und
  • dass sie in Ermangelung persönlicher Vorbilder sich an den Symbolen und Bildern von Männlichkeit ausrichten, die ihnen über die Medien geliefert werden und die sehr einseitige Rollenzuweisungen präsentieren.

Hier kann der Kindergarten ein Stück weit gegensteuern, indem Männer in die Einrichtung geholt werden, wo es nur geht,. Wünschenswert wären mehr Erzieher, aber auch der Zivi oder Väter und Opas, die gelegentlich in den Kindergarten eingeladen werden, um mit den Kindern bestimmte Aktivitäten auszuführen, können das Dilemma etwas abmildern.

Tim Rohrmann/ Peter Thoma: Jungen in Kindertagesstätten. Ein Handbuch zur geschlechtsbezogenen Pädagogik, Freiburg 1998

Eines der wenigen Bücher, das sich mit der Situation von Jungen in Einrichtungen des Elementarbereichs beschäftigt

Interkulturelle Erziehung

Für Migrantenkinder bedeutet der Eintritt in eine Einrichtung der Tagesbetreuung einen sehr viel tieferen Einschnitt als für Kinder deutscher Eltern.

Vor dem Kindergartenbesuch leben sie im Elternhaus in einem Milieu, das vor allem von ihrer kulturellen Herkunft bestimmt wird, und sprechen fast ausschließlich ihre Muttersprache. Auch spielen sie meist mit Kindern ihres Milieus und haben selten intensiven Kontakt zu deutschen Kindern.

In der Einrichtung sind sie nun nicht nur einer fremden Sprache ausgesetzt, die sie allenfalls in Ansätzen beherrschen. Sie sind zugleich mit einem ihnen weitgehend fremden kulturellen Milieu konfrontiert, verstehen nur schlecht das Verhalten von Kindern und Erzieherinnen. Die Fremdheit macht sie zu Außenseitern, lässt sie schüchtern abwarten. In der Folge ziehen sich viele erst einmal auf sich selbst zurück.

Ihre Situation ist nur vordergründig besser, wenn sie auf Kinder gleicher Herkunft treffen. Sie werden sich dann wohl zunächst weniger fremd und verloren vorkommen, riskieren aber, sich nur noch auf die Kinder gleicher Herkunft zu beziehen, sich darüber abzukapseln und vor allem auch kaum Fortschritte in ihren Deutschkenntnissen zu machen, die sie für Freundschaften und später in der Schule brauchen. Ihre einzige Chance besteht darin, sich in beiden Milieus bewegen und zurechtfinden zu lernen. Die Einrichtungen und die Fachkräfte können ihnen dabei in vieler Hinsicht behilflich sein.

Es ist für den Start dieser Kinder hilfreich, wenn sie in der neuen und fremden Umgebung vertraute Gegenstände ihrer kulturellen Herkunft wiederfinden, wenn dort etwa Bilder und Gebrauchsgegenstände vorhanden sind, die sie von zu Hause kennen. Damit wird zugleich eine Wertschätzung zum Ausdruck gebracht, die sich allerdings nicht auf solche vereinzelte Zeichen beschränken sollte. Sie läßt sich fortsetzen, indem

  • einzelne Ausdrücke in der fremden Sprache gelernt,
  • Lieder in der fremden Sprache gesungen,
  • Spiele aus den Herkunftsländern gespielt,
  • Tänze vorgeführt und von der ganzen Gruppe geübt werden
  • und indem das Leben in den Herkunftsländern zum Thema gemacht wird. Die Länder können dazu auf einer Landkarte gesucht und markiert werden. Anschauungsmaterial in Form von Sachbüchern, Geschichten und Märchen, Filmen kann herangezogen und gemeinsam studiert werden.

Sofern es gelingt, Eltern dieser Kinder in die interkulturelle Arbeit einzubeziehen, lassen sich weitere Aktivitäten anschließen:

  • Eltern können aus ihren Herkunftsländern berichten. Auf großes Interesse stoßen dabei Berichte, wie sie selbst als Kinder dort gelebt haben.
  • Unter Umständen können auch die Elternhäuser besucht und dabei die anderen Verhaltensweisen erfahren werden.
  • Schließlich können interkulturelle Feste organisiert werden, auf denen etwa Speisen aus verschiedenen Ländern serviert und Vorführungen geboten werden.

Solche Aktivitäten helfen nicht nur das Selbstbewusstsein der Migrantenkinder zu stärken, sie haben auch großen Wert für die deutschen Kinder, die darüber Verständnis für die Situation von Migranten entwickeln können. Gleichzeitig wird ihre Weltoffenheit und ihr Wissen über andere Kulturen und Völker befördert, indem sie begreifen, dass sich Menschen nach ihrer Herkunft in Lebensweise und Betragen unterscheiden.

Ünal Akpinar/ Jürgen Zimmer (Hg.): Von Wo kommst'n du? Interkulturelle Erziehung im Kindergarten, Band 1 und 2, München 1984

Interkulturelle Erziehung nach dem Situationsansatz mit zahlreichen Beispielen und Vorschlägen.

Gudrun Jakubeit: Materialien zur interkulturellen Erziehung im Kindergarten, Berlin 1989

Band 1: Kinder,

Band 2: Eltern, Stadtteil, Fortbildung, Heimatländer,

Band 3: Zweisprachigkeit,

Umfangreiche Dokumentation zur interkulturellen Erziehung in den verschiedenen Arbeitsfeldern. Sehr anregend für die praktische Arbeit.

Michaela Ulich/ Pamela Oberhuemer/ Monika Soltendieck: Die Welt trifft sich im Kindergarten, Neuwied 2000

Sammlung von Aufsätzen zu verschiedenen Aspekten der interkulturellen Erziehung

Kinder mit Beeinträchtigungen

Auch die Integration von Kindern mit körperlichen oder anderen Beeinträchtigungen stellt eine Bereicherung für den Kindergarten dar.

Jedes Kind unterscheidet sich von anderen nach seiner Biographie, nach seinen Vorerfahrungen, seinen Fähigkeiten und Begabungen und eben auch nach seiner Herkunft. Auch "normale" Kinder lassen sich nicht ohne weiteres über einen Kamm scheren, sondern auf ihre jeweiligen Bedingungen, ihre Stärken wie ihre Schwächen sollte individuell eingegangen werden. Kinder mit Beeinträchtigungen unterscheiden sich nur gradweise von ihnen.

Für die Kinder ist die Beobachtung, dass manche Kinder mit schwierigeren und einschneidenderen Lebensbedingungen fertig werden müssen, eine wichtige Erfahrung. Sie können darüber Berührungsängste gegenüber den Beeinträchtigten verlieren und einen unbefangenen Umgang mit ihnen entwickeln.

Die beeinträchtigten Kinder erfahren sich nicht mehr so sehr als Sonderfälle abseits der "Normalen". Sie können zumindest in vielen Bereichen mit den andern zusammenarbeiten und spielen, werden dadurch weniger ausgegrenzt als in abgesonderten Behindertenkindergärten.

Kinder sind allerdings auch keine Engel. Sie orientieren sich eher an denen, die stärker und geschickter sind als sie selber, und von denen sie sich etwas abschauen können. Es besteht deshalb immer die Gefahr, dass die belasteten Kinder innerhalb der Gruppe wieder ausgegrenzt werden, die Normalen sich von den "Spastis" abgrenzen. Andererseits können sich beeinträchtigte Kinder innerhalb der Gruppe als unterlegen und minderwertig erleben. Die Fachkräfte können dem entgegen wirken, indem sie zeitweise Aktivitäten vorsehen, die gemeinsam angegangen werden, bei andern Gelegenheiten den Kindern unterschiedliche Angebote gemacht werden. Darüber können sie dann auch die unbeeinträchtigten Kinder mit Aufgaben konfrontieren, die ihren ganzen Einsatz fordern.

Jutta Schöler/ Rita Fritzsche/ Alrun Schastok: Ein Kindergarten für alle – Kinder mit und ohne Behinderung spielen und lernen gemeinsam, Weinheim 2002

Situation behinderter Kinder in Integrationsgruppen und Fragen der praktischen Arbeit in diesen Gruppen

3.6.4 Wohnquartier, Kultur und Gesellschaft

Kinder zeigen im Verlaufe der Kindergartenjahre ein wachsendes Interesse am weiteren Umfeld ihres Wohnortes. Sie beginnen ihn in seiner räumlichen Ausdehnung zu erfassen und interessieren sich für die verschiedenen Einrichtungen und Aufgaben ihrer gesellschaftlichen Umgebung. Sie können aber weder das Wohnviertel selbständig erkunden noch die Bedeutung der verschiedenen Einrichtungen von sich aus erfassen.

"Verinselte" Kindheit

Indem sie einen Kindergarten besuchen, machen Kinder die ersten Schritte aus dem privaten Elternhaus in den Bereich öffentlicher Einrichtungen, lernen eine erste gesellschaftliche Institution kennen und verbringen dort einen Teil des Tages. Ihre Lebenswelt wird nun immer mehr bestimmt von Erfahrungen im gesellschaftlichen und öffentlichen Raum.

Es steigert ihr Selbstbewusstsein, wenn sie sich in diesem öffentlichen Raum zurechtzufinden und sich darin zu bewegen verstehen. Zugleich hilft es ihnen, sich in schwierigen Situationen angemessen zu verhalten, wenn sie zum Beispiel beim Einkaufen von den erwachsenen Begleitern getrennt wurden und sich Hilfe suchen müssen.

Noch vor Jahrzehnten konnten Kinder schon vor dem Schulalter ihr Stadtviertel oder die Landschaft um ihre Dörfer gemeinsam mit anderen Kindern durchstreifen und erforschen. Sie bekamen darüber eine genaue Vorstellung von der Umgebung, in der sie lebten, und den Stellen, die für sie von Interesse waren. Zugleich beobachteten sie dabei das Leben und Treiben der Erwachsenen. Dieses selbständige Erobern der Umwelt ist für Kinder heute, zumindest im städtischen Lebensraum, so gut wie vollständig weggebrochen. Kindergärten wie Spielplätze, Einkaufszentren oder Angebote der Kinderkultur sind nur in Begleitung von Erwachsenen oder allenfalls älteren Kindern erreichbar. Die Folge ist, dass Kinder kaum mehr zusammenhängende Vorstellungen ihres Quartiers und ihres Lebensraumes ausbilden können. Ihre Welt besteht aus zusammenhanglosen Stationen.

Erkundung des Stadtteils

Für eine breit angelegte Erforschung des kindlichen Lebensraumes bieten sich im Kindergarten zahlreiche Möglichkeiten an, die den Kindern ermöglichen, sich im Stadtquartier zu orientieren, seine wichtigen Einrichtungen kennen zu lernen und damit ihre Selbständigkeit zu unterstützen.

Gemeinsam mit den Fachkräften kann der Stadtteil begangen, öffentliche Institutionen sowie die Treffpunkte und Einkaufsstellen besucht und mit Einrichtungen, die für Kinder von Interesse sind, kooperiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Kinder konkretes Handlungswissen erwerben, das ihnen erlaubt, sich in ihrer Umgebung sicher zu bewegen (Etwa wie man ein öffentliches Telefon oder Verkehrsmittel benutzt, wie man sich nach einer Adresse durchfragt).

Damit kann schon bald nach Eintritt der Kinder in die Einrichtung begonnen werden, indem die Wohnungen der einzelnen Kinder besucht und dabei die Wege zur Einrichtung abgegangen werden. Die Kinder können ihre Spielmöglichkeiten im Gelände beschreiben und den übrigen Kindern vorführen. Die Häuser, in denen die Kinder wohnen, können dann in einen übersichtlichen auch für Kinder verständlichen Stadtplan eingetragen werden (entweder indem ein Foto oder eine Zeichnung an die entsprechende Stelle eingeklebt wird). Noch anschaulicher fällt ein dreidimensionales Modell aus, indem auf einem haltbaren Karton oder einem Stück Plastikfolie die Straßenzüge eingezeichnet werden. Jedes Kind darf dann sein Haus an der richtigen Stelle aufstellen.

Im nächsten Schritt können öffentliche Plätze besucht werden, die sich zum Spielen eignen, Spielplätze, aber auch öffentliche Anlagen und Spielangebote kommerzieller Einrichtungen. Auch der Besuch von Ladenzeilen und Einkaufszentren sollte hier mit einbezogen werden, und alle diese Plätze in den Plan des Stadtquartiers eingezeichnet werden. Damit die Kinder den Plan auch "lesen" können, werden Zeichen ausgedacht und an die entsprechenden Stellen geklebt. Im nächsten Schritt können schließlich die Schulen und Kultureinrichtungen erkundet werden, von den Kinderkursen einzelner Vereine bis zu Aufführungen von Kindertheatern und dergleichen.

Bei den Erkundungen werden auch immer wieder öffentliche Verkehrsmittel benutzt, dabei lösen und entwerten die Kinder die Fahrscheine selbst. Die Strecken werden gleichfalls in den Stadtplan eingezeichnet.

Solche Erkundungen bieten auch Gelegenheit, ein angemessenes Verhalten im Straßenverkehr zu üben. Einmal beim Erforschen des Quartiers. Zum andern kann ein Plan oder Modell dazu genutzt werden, mit Spielautos, mit Figürchen, die Fußgänger darstellen und einem Satz Verkehrszeichen, verkehrsgerechtes Verhalten zu spielen.

Auf Besuch in der Schule

Es geht bei der Kooperation mit Schulen darum, Kindern die Lern- und Lebenswelt einer Bildungsinstitution vorzustellen. Schulen sind ein zentraler Bestandteil der kindlichen Lebenswelt: Geschwister gehen zur Schule, ältere Kindergartenkinder sprechen über ihre bevorstehende Einschulung. Bekannte fragen: "Wann kommst du in die Schule?" – und so sind Kinder sehr daran interessiert, solche Einrichtungen kennenzulernen. (...)

Besuche in der Schule mit der Kindergruppe oder mit einer Teilgruppe von acht bis zehn Kindern sollten gründlich vorbereitet werden. Lehrer/innen oder – noch besser – Schüler/innen zeigen den Kindern zunächst den Pausenhof und das Schulgebäude. Dann kann ein Unterrichtsbesuch folgen, wobei die Kindergruppe entweder hinten im Klassenzimmer oder aufgeteilt in den Ecken des Raumes sitzt. Alternativ kann sich jeweils ein Kindergartenkind neben einen Schüler setzen und sich von diesem betreuen lassen. Der Lehrer sollte möglichst solche Unterrichtsinhalte auswählen, die für Kleinkinder nachvollziehbar sind (z.B. aus dem Bereich der Biologie). Bei Aktivitäten wie Singen, Basteln, Malen und Werken oder beim Sport in der Turnhalle können die Kinder mitmachen.

Wichtig ist, dass die Besuche in der Schule auch nachbereitet werden. Beispielsweise kann im Gespräch mit den Kindern das Besondere der Schule im Vergleich zum Kindergarten herausgearbeitet werden (z.B. Schulpflicht, altersgleiche Klassen, Lehrplan, Unterrichtsstunden mit festgelegter Dauer, Schulfächer, Benotung, Stillsitzen der Schüler/innen). Die Kinder können "Schule spielen" oder ihre Beobachtungen in Bildern festhalten (Textor 1998, S. 13).

Ausflüge in die Arbeitswelt

Bei Stichproben können Kindergartenkinder häufig nicht angeben, welcher Arbeit ihre Väter oder Mütter nachgehen. Nicht nur, dass sie die Berufsbezeichnungen nicht kennen, sie haben noch weniger Vorstellung von den konkreten Tätigkeiten und wozu sie gut sind. Offenbar wird in vielen Familien mit den Kindern nicht über die Erwerbsarbeit gesprochen.

In den Kinderprogrammen des Fernsehens werden zwar Sachbeiträge zu Themen der Produktion und der Arbeitswelt gezeigt. Sie können aber kaum eine klare Vorstellung von gesellschaftlicher Arbeit bewirken. Medienbeiträge wie Fernsehsendungen oder Sachbücher werden erst dann mit Interesse und Aufmerksamkeit verfolgt und längerfristig behalten, wenn ein persönlicher Bezug am Beispiel nahestehender Personen hergestellt werden kann.

Dieser Bezug ergibt sich natürlicherweise über die beruflichen Tätigkeiten von Eltern oder anderen nahestehenden Personen. Zunächst können die Berufsbezeichnungen zwischen den Kindern ausgetauscht werden, dann deren Tätigkeiten geschildert werden. Dazu bekommen die Kinder den Auftrag, zu Hause nachzufragen. Vielleicht können auch einige Eltern an ihren Arbeitstellen besucht werden. Allerdings stößt das rasch an Grenzen: Einmal weil die Firmen den Besuch verweigern, aber auch weil in vielen Fällen der bloße Besuch wenig über den Sinn der Tätigkeiten aussagt. Während die Arbeit des Schalterbeamten in der Bank noch halbwegs einzusehen ist, bleibt die Bearbeitung von Akten durch den Finanzbeamten unanschaulich und unverständlich.

Sabine Hirler: Hämmern, Tippen, Feuerlöschen. Mit Spiel-Aktionen, Geschichten, Liedern und Tänzen rund um die Berufswelt, Münster 2001

Spielaktionen zu Bauernhof, Handwerkern, Müllabfuhr, Polizei, Feuerwehr, Büro, Herstellung, Handel und Transport, Künstler. Dazu Informationen zu den Berufsgruppen, Lieder und Tänze, Bastelideen und Rezepte

Die Unzugänglichkeit der Arbeitswelt

So weit sich die Berufstätigkeiten auf die Herstellung und Verteilung von Produkten beziehen, werden sie am ehesten verstanden werden und auf spontanes Interesse stoßen. Gegenstände nach den eigenen Ideen und Bedürfnissen zu bearbeiten, wird von den Kindern ständig in ihren Spielen und Beschäftigungen betrieben. Die eigenen Produktionen werden aber kaum mit den Produkten in Beziehung gebracht, die in den Warenhäusern als Konsumgüter zum Verkauf angeboten werden. Über Projekte zur Arbeitswelt können Kinder erfahren, dass diese Güter in ähnlicher Weise in Werkstätten und Fabriken gefertigt werden, wie sie selbst ihre Ideen in Produkte umsetzen.

Um die Anschaulichkeit sicherzustellen, kann man dabei zunächst mit handwerklichen Tätigkeiten beginnen wie beim obligatorischen Besuch des Bäckers oder dem Hausbau auf der Straße gegenüber und danach die Bereiche behandeln, die man kaum besuchen kann und die selbst bei einem Besuch wenig Aussagekraft hätten (z.B. die arbeitsteilige Produktion in Fabriken). Sie lassen sich zumindest im Ansatz durch eine Kombination von medialer Darstellung und nachvollziehenden Spielen erschließen.

Aus den Beobachtungen, die bei Besuchen von Arbeitsstätten und beim Betrachten von Medien gemacht werden, können sich Fragen ergeben, die zum Erforschen von Naturgesetzen und ihrer technischen Anwendung überleiten.

Gesellschaftliche Zusammenhänge Spielen

Natürlich kann man sich fragen, ob es notwendig ist, Kindern weitreichende gesellschaftliche Zusammenhänge nahe zu bringen. Sicher müssen im Elementarbereich nicht die Grundlagen für Staatsbürgerkunde gelegt werden. Etwas anderes ist, dass Kinder immer wieder nach solchen Zusammenhängen fragen und sie dann eine ihrem Verständnis und ihrer Auffassung zugängliche Antwort erhalten sollten.

Kindliche Warum-Fragen sind oft kaum zu beantworten, ohne auf gesellschaftliche Zusammenhänge einzugehen (z.B. Warum muss man Steuern bezahlen?). Es ist allerdings nicht einfach sie in einer Weise zu beantworten, die das Kind auch verstehen kann. Um die Tätigkeit des Finanzbeamten zu verstehen, müssen Kinder vorher wissen, dass auf alle Arbeitseinkommen Steuern erhoben werden und dass davon unter anderem Schulen und Kindergärten unterhalten werden.

Fachkräfte wissen sich aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Kenntnis der einzelnen Kinder zwar so auszudrücken, dass sie verstanden werden. Aber in vielen Fällen werden sie die Zusammenhänge, nach denen gefragt wird, selbst nicht auf Anhieb kennen. Zum andern reicht selbst eine auf das kindliche Verständnis zugeschnittene Erklärung kaum dazu aus, dass die Antworten behalten werden. Dazu müssen sie durch die tätige Anschauung ergänzt werden. Gesellschaftliche Zusammenhänge sind aber weitgehend abstrakt und lassen sich deshalb nicht ohne weiteres veranschaulichen.

Es ist in gewissem Ausmaß dennoch möglich, ein handgreifliches Verständnis für gesellschaftliche Organisationsformen zu vermitteln. Bewährt haben sich dafür größere Spielaktionen, in denen historische Gesellschaftsformen nachgestellt werden. Da sie im Vergleich zu heutigen gesellschaftlichen Strukturen einfacher und durchschaubarer aufgebaut waren, etwa die "Regierung" durch einen König repräsentiert wird, lassen sich die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen und ihren Angehörigen rascher erfassen. Die Form des Rollenspiels reduziert sie weiter auf einzelne Repräsentanten. Darum kann etwa der Kreislauf der Geldwirtschaft über die Herstellung und den Verkauf von Produkten im Rahmen einer mittelalterlichen "Spielstadt" aktiv nachvollzogen und verstanden werden. Zugleich werden handwerkliche Fertigungsweisen erprobt und Vorstellungen über historische Lebenswelten entwickelt. Die Motivation und der Spaß ergibt sich aus dem Verkleidungsspiel, das den Kindern erlaubt, die Rolle von Erwachsenen zu übernehmen,

Gipsy Baumann/ Franz Baumann: Mit Mammut nach Neandertal. Kinder spielen Steinzeit, Münster 1999 (5. Auflage)

Lesegeschichten, sachliche Informationen und Spielvorschläge zum Leben des Steinzeitmenschen (z.B. Steinzeitweste nähen, Lammkeule im Steinzeitofen braten etc)

Gipsy Baumann/ Franz Baumann: Alea iacta est. Kinder spielen Römer, Münster 1998

Lesegeschichten, sachliche Informationen und Spielvorschläge zum Alltagsleben der Römer

Kristina Hoffmann-Pieper/ Hans-Jürgen Pieper/ Bernhard Schön: Das große Spectaculum. Kinder spielen Mittelalter, Münster 1995

Lesegeschichte, die anhand zweier Bauernkinder und eines Ritterknappen in die Alltagswelt des Mittelalters führt und die über viele Spielvorschläge nachgespielt werden kann

Jakobine Wierz: Vergangenheitsforscher. Was Kinder wissen wollen, München 2002

Entdecken der Vergangenheit anhand von Familienfotos, alten Kleidern und Erzählungen von Großeltern

Miriam Schultze/ Andreas Müller/ Ulrich Wacker: Moneten, Kohle, Kies und Schotter, Münster 2002

Spiele, Geschichten, Bastelanregungen und Rezepte, um Geld, Geldkreislauf und Besitz verständlich zu machen

Zugang zu Kultureinrichtungen

Die Öffnung zum Stadtteil und zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit sollte auch erste Erfahrungen in und mit den öffentlichen Kultureinrichtungen einschließen.

Während die Angebote der Medien allein oder im privaten Kreis aufgenommen werden, erfahren sich die Kinder in Theateraufführungen, Besuchen von Kunstgalerien oder Museen als Teil einer größeren Öffentlichkeit. Selbst im Kino bekommen sie die Reaktionen der übrigen Zuschauer mit. Die persönliche Rückbindung, die für das Verständnis von Kindergartenkindern entscheidend ist, wird hier durch ein Publikum ersetzt, das aber eben doch leibhaftig anwesend ist und auf die gebotene Vorführung reagiert.

Allerdings sind selbst viele Aufführungen des Kindertheaters auf eine beeindruckende Inszenierung hin angelegt, versuchen durch visuelle Effekte zu überraschen und schließen sich dadurch den Zuschauern gegenüber ab. Gerade für jüngere Zuschauer kommt es mehr darauf an, die Spielweise zu durchschauen und in das Spiel einbezogen zu werden. Die Aufführungen von Puppen- und Marionettenbühnen oder von freien Theatergruppen eignen sich dafür meist besser als die Kinderaufführungen großer Häuser, die ja auch im allgemeinen nur in der Vorweihnachtszeit stattfinden.

Der Besuch von Gemäldegalerien kann durchaus die eigenen in diesem Alter wichtigen Malereien anregen, historische oder völkerkundliche Museen können eine anschauliche Vorstellung über fremde Kulturen und Lebensweisen vermitteln. Solche Besuche machen vor allem Sinn im Rahmen längerer Bildungsangebote. Die museumspädagogischen Abteilungen machen inzwischen auch häufig Angebote, in denen die Kinder handwerklichen und künstlerischen Aktivitäten nachgehen und die eine Bildungseinheit sinnvoll ergänzen können.


11.10.2004